Digital-DJs: Wenn ihr mehr Druck wollt, runter mit der Lautstärke!

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tl;dr:
„Keep out of the red“ ist eine alte Tonmeister-Weisheit, die mit digitalem Equipment arbeitende DJs unbedingt beachten sollten.

Traktor-stay-out-of-the-red-580

Letztens hatte ich mal wieder das Vergnügen, mit einem Kollegen zu spielen, der dazu neigte, immer lauter zu werden, was mir tierisch auf den Saque ging.
Ich bin nach wie vor der Meinung, dass der Umgang mit der Lautstärke unter den Kernkompetenzen für DJs eine Sonderrolle einnimmt. Du kannst der beste DJ der Welt sein, ein Meister des Crowdreadings und ein Magier am Equipment, wenn du die Anlage oder -noch schlimmer- die Ohren deines Publikums schrottest, bist du nicht mal Kreisklasse.

Dennoch bin ich dieses Mal froh über mein Erlebnis, denn ich habe dabei etwas interessantes gelernt. Präziser: Ich habe die praktische Bestätigung für etwas bekommen, das mir theoretisch schon klar war. Kurz gesagt lautet die Erkenntnis: Niemals Traktor in den roten Bereich fahren! Und das kam so:

Ein System, das voll gegen den Limiter fährt, klingt schlecht.
Nachdem ich besagten Kollegen zum drölfzigsten mal leiser gedreht hatte, beschwerte er sich, dass ich ja wohl viel lauter spielen würde als er. Ich so: „Kann nicht sein. Schau her: 3 gelbe Lämpchen an der Pegelanzeige vom Mischer, also genau so laut, wie ich war.“ Aber er hatte recht. Er klang leiser, weniger druckvoll. Am Equipment konnte es nicht liegen. Er nutzte eine Traktor Kontrol S2, ich eine S4. Die Soundkarten sollten identisch sein. Dann fiel mir auf, dass sein Pegelmesser am Treckker permanent weit im roten Bereich war. (Ich habe ehrlich gesagt, noch nie einen Traktor-DJ gesehen, der nicht wenigstens ein bisschen im roten Bereich spielt.)
Ich sagte ihm, er solle den Pegel langsam runterdrehen, während ich am Mixer nachregelte. Und guess what, während wir das taten, hörte es sich an, als würde die Musik aufwachen und sich buchstäblich entfalten. Die Drums kickten mehr, die Instrumente ließen sich besser auseinanderhalten und ja, die Musik wirkte einfach lauter.

Digital gibt es gibt keinen Headroom!
Und es ist eigentlich auch sonnenklar, warum das so ist: Im Gegensatz zu analoger Technik, die man durchaus leicht (!) in die Übersteurung fahren kann, ohne das es groß stören würde, bedeutet „0 dB“ bei Digitaltechnik einfach „Ende der Fahnenstange.“ Es gibt keinen Headroom. Nochmal zum Mitmeißeln: Es gibt keinen Headroom! Ein übersteuertes Digitalsignal ist kaputt. Komplett kaputt. Daher muss Traktor an diesem Punkt limiten und zwar hart. Da die meiste aktuell produzierte Tanzmusik auf maximale Lautheit produziert ist, kappt der Limiter, wenn er mal eingreifen muss, auch nicht nur ein paar Spitzen, sondern schreddert permanent das Signal. Und das hört man dann halt auch.

Runter mit dem Pegel!
Traktor-Master

Also wenn ihr euren und den Ohren des Publikums etwas Gutes tun wollt, oder vielleicht sogar Musik liebt: Finger weg vom roten Lautstärkebereich eures Digitalequipments! Um das zu gewährleisten, empfehle ich, den Masterregler auf einen Wert von ungefähr -10dB zu stellen. Warum so leise? Ganz simple Erfahrung: Sobald zwei Tunes übereinanderlaufen addieren sich ihre Lautsärken. Selbst wenn an einem davon die Bässe komplett gekillt sind, wird es im Mix ein Stück lauter. Dazu kommen noch diverse mit Signalkopien arbeitende Effekte wie Flanger, Delays oder Beatmasher, die ebenfalls Audio „aufeinanderstapeln“ wie ein Mix und die Gesamtlautstärke erhöhen. 10 dB reichen aus, um das in den meisten Fällen soweit zu kompensieren, dass man unter den magischen 0 dB bleibt. Wenn nicht, solltest du vielleicht deine Arbeitsweise überdenken, denn dann du spielst du -siehe oben- mit der Gesundheit deines Publikums.
So vorzugehen hat noch einen Vorteil: Spielt man öfter mal ältere Musik, die meist viel weniger komprimiert ist, kann man diese einfach etwas lauter machen, um sie in der Lautstärke anzupassen, ohne gleich alles zum Übersteuern zu bringen. (Warum das so ist, könnt ihr in unserem Artikel zum Thema Kompression und Loudness-War nachlesen.)

Hier noch der offizielle Artikel aus der Knowledge-Base von Native Instruments zum Thema.

An der Stelle noch ein Wort zu den Lautstärkereglern bei Controllern von Native Instruments: Der Pegel der Traktorsoftware ist unabhängig vom Master-Lautstärkeregler am Controller. Dieser arbeitet vollkommen analog und sitzt schaltungsmäßig hinter der Software. Meine Ausführungen beziehen sich ausschließlich auf den Masterregler in der Software. Wenn du ein von der Software verzerrtes Signal mit dem Pegelsteller der Hardware herunterregelst, bekommst du nur ein leiseres aber immer noch genauso verzerrtes Signal.

25 Kommentare

  1. Schön erklärt.

    Ich arbeite mit einem externen DJ-Mischpult an Virtual DJ und habe die (Pseudo-)Normalisierungs-Funktion lieben gelernt: Die Tracks werden analysiert und beim Laden wird der interne Gain-Regler des Decks so weit gedreht, dass – selbst wenn man wöllte – der Peak nicht über 0 dB geht.

    Ich habe dann im Controller-Mapping eingestellt, dass beim Bewegen des Gain-Reglers an meinem Controller automatisch auf -3 db gestellt wird – die eigentliche Funktion ist außer Kraft gesetzt. So habe ich ausreichend Reserven nach oben, die ich dann am Gain-Regler vom Mischpult regeln kann.

    Dort gilt dann auch für mich die Regel: Wenn die gelbe LED blinkt (ich habe nur grüne und gelbe), war es zu viel. Offenbar alles richtig gemacht. 🙂

  2. Wer im ständig im roten Bereich arbeitet gefährdet nicht nur die Gesundheit seiner Gäste, sondern auch die seines Equipments. Nicht umsonst sind diese Anzeigen rot. Das gilt jetzt zwar nicht für Traktor Signalausgang aber z.B. für den Ausgang des Mischpults. Die nachfolgende Elektronik (gerade im LowBugdet Bereich) hat dann nämlich meist nichts mehr zu lachen. Auch schon in Discotheken live erlebt, das der Mixerpegel so dermaßen am Anschlag war, dass da nichts mehr geblinkt hat und die Verstärker der Anlagen waren dann relativ klein eingestellt…..

  3. es geht aber nicht um lautstärke es geht ums sauber nicht verzehrte signal. was ein unterschied ist. ich habe schon häufig genug geshen wie leute total leise waren per linefader oder master und dennoch alles im roten bereich weil voll aufgredrehter gain und das bei nur halb aufgredrehten endstufen.

    von lautstärke in dem zusammenhang zu sprechend ist nur verwirrend. denn um die geht es nicht.

    • @hans dans: Hast Du den Artikel eigentlich gelesen? 🙂
      Es gibt kein verzerrtes Signal, weil der interne Limiter von Traktor kein Clipping zulässt. Aber Das Signal verliert dadurch an Druck und Lebendigkeit und klingt subjektiv sehr viel leiser, als eines, das bei gleichem Ausgangspegel nicht voll gegen den Limiter fährt. Genau das ist doch der Aufhänger des Posts. 🙂

      • was für ein rotz… Natürlich klippt auch ein limiter. Auch diese sind begrenzt in der Dynamik. Ein limiter kappt gegebenenfalls ebenso transienten wie ein physikalischer Ausgang. Ein digitaler limiter hat wesentlich mehr dynamikumfang als ein analoger(24bit) zerstört bei Überteuerung aber genau so…
        Hier geht’s um die Dynamik!

  4. Es gibt bei Traktor einen Limiter, der standardmäßig eingeschaltet ist. Wenn der zupackt, wird der Sound natürlich nicht besser.
    Das man den ausschalten kann, solltest Du Deinem Kollegen aber nicht erzählen. Sonst wird es wahrscheinlich noch häßlicher für
    die Ohren.
    Einen (virtuellen) Headroom gibt es laut Manual übrigens doch.

    Auszug aus dem Traktor-Manual:

    Level (Pegel)
    ? Set Autogain when loading Track: Wenn Sie diese Option gewa?hlt haben, u?bernimmt TRAK-
    TOR die Einstellung des Gain-Werts.
    ? Enable Limiter: Wenn Sie diese Option gewa?hlt haben, wird ein U?bersteuern vermieden.
    ? Headroom: Diese Einstellung ist hilfreich, wenn Sie mehrere Tracks oder Quellen in TRAK- TOR mixen mo?chten, da jede zusa?tzliche Quelle den Gesamt-Output des Mixes erho?ht. Mit dieser Funktion schwa?cht TRAKTOR den Output ab, um digitalen Headroom aufrecht zu erhalten, damit Sie mit dem MAIN-Drehregler nicht die Master-Lautsta?rke herunterdre- hen mu?ssen. Falls Sie nur zwei Decks gleichzeitig mixen, ist ein Wert von -3 dB im Allge- meinen ausreichend. Wenn Sie bis zu vier Decks mixen oder eine Vielzahl von Samples benutzen mo?chten, empfehlen wir hier einen Wert von -9 dB.

  5. Meine letzte Info ist aber auch, dass der Headroom in Traktor nicht zieht, vorallem wenn man eine externe Soundkarte nutz, der gain auf -10db ist schon gut so, das selbe meinte auch mal Traktorguru Ean Golden.

  6. hmmm, das ist aber nu echt alter Wein in neuen Schläuchen…
    Sry, trotz eines schönen Artikels war mein erster Gedanke, vor 10 Jahren wäre das voll aktuell gewesen.
    Aber soweit scrollt ja niemand runter 😉

    • @cube: Warum sollte das Thema heute nicht mehr aktuell sein? Verhalten sich Systeme, die zu laut angefahren werden heute anders als vor 10 Jahren?

  7. […] Ein kleines Detail, das mich stutzen lässt, ist der „Clip„-Schriftzug oberhalb der 2 roten LEDs am Ende der 12teiligen Pegelanzeigen. Liest sich für mich so, als würde man noch einen Schritt weiter gehen und jetzt nach den gelben auch noch die roten LEDs zum „normalen Bereich“ zählen, und erst wenn der Schriftzug aufleuchtet, verzerrt der Mischer wirklich, oder fährt gegen den Limiter. Ich hoffe, ich habe unrecht, denn das ist eine ungesunde Entwicklung an deren Ende niemand mehr weiß, ob die Messgeräte im Mischer überhaupt irgendeine Aussagekraft haben. Die Folge: Noch mehr „Redlining“… […]

  8. Wahnsinn, nach X Jahren faellt euch auf, das man seinen Pegel nicht uebersteuern sollte.
    Diese Vorgehensweise bei analog zu verharmlosen, halte ich nicht fuer richtig. Immerhin sollte der Headroom auch Headroom bleiben.

    Cheers

    • Man sollte die Channel Gains dabei auch nicht vernachlässigen. Diese clippen genauso wenn nicht ausreichend runtergeregelt wird. Da hilft der Main Regler auch nix…

  9. Fragen: Ich habe explizit der Headroom-Geschichte auseinander gehende Statements. NI erläutert, dass für das externe Mischen (quasi HardwareMixer / Interface) pro Kanal schon ein Headroom von -3dB eingeräumt wird. Soweit so gut; jedoch addieren sich dann z.B.: 4 Decks insofern, dass der SOFTWARE PEGEL ansteigt – was man dann intern an der Software via Gain Channel regeln kann, als auch „draussen“.
    Jetzt meine Verwirrung: Gesplittet sind die Tracks über die einzelnen Kanäle und befinden sich besten Falls bei 0dB. Diese laufen alle im externen Mixer zusammen über Main Out. Wieso also hat man dann noch den Main in der Software, wenn man sowieso die Spuren manuell am Pult finetuned? Unsauber ist das Signal eines einzelnen Decks, wenn es vom PC ja schon massiv zu laut ist. Wieso ist dann die Summe aller Spuren schon in der Software ausschlaggebend und nicht – weil man ja splittet – der externe MainOut von Bedeutung?

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