Neulich ging ein Hörtest als Werbemaßnahme der Firma Tidal im Netz herum. Das Thema faszinierte einige bekannte Blogger. Mich natürlich auch. Es ging darum, 5 Tunes in je zwei Varianten anzuhören und dann zu entscheiden, welcher „besser“ klingt. Die Ergebnisse waren sehr unterschiedlich. Ich selbst hatte im ersten Durchlauf vier Richtige, der Bloggbuzzter und Ronny jeweils drei. Die Kollegen von Das Filter lagen sogar fünf von fünf Malen daneben. Keine Ahnung, ob die Drei den Test wiederholt haben. Ich habe das getan und das Ergebnis wirft ein ganz anderes Licht auf den Test. Doch dazu später.
Was ist „Losless“?
Tidal ist ein Streaming-Service à la Spotify, der aber nach eigener Aussage die Musik in „High Quality-Audio“ streamen kann. Diese „High Quality“ wird erreicht, indem sogenannte „Lossless“-Datenkompression verwendet wird. Das funktioniert ziemlich genau, wie ein .zip-File, das heißt, die komprimierten Daten werden vor dem Abspielen wieder entpackt und sind tatsächlich bitgenau identisch mit den Files wie sie vor der Komprimierung vorlagen. Bei verlustbehafteten Kompressionsalgorithmen wie MP3 oder AAC ist das nicht so. Die wegkomprimierten Daten sind unwiederbringlich fort und damit auch immer ein Stück der Audioqualität.
Warum überhaupt MP3 und Co?
Das ist grundsätzlich eine schöne Sache, denn eigentlich gibt es keinen Grund mehr, überhaupt noch verlustbehaftete Codecs zu benutzen. Erstens ist Speicherplatz billig und zweitens sind die Übertragungsraten im Internet meistens schnell genug. Anders gesagt: Wert Video übertragen und speichern kann, muss sich bei Audio um die Datenmengen echt keine Sorgen mehr machen. Dazu kommt, dass bei MP3 und AAC mittlerweile so hohe Datenraten Standard geworden sind, dass die Files sowieso sehr groß sind. Alles in allem begrüße ich also Fortschritte bei den Speicherformaten für Musik absolut. Dazu kommt, dass verlustbehaftete Kompressionsverfahren nur für reine Konsumenten sinnvoll sind. Für die Dinge, die DJs mit Musik tun, sind sie kein besonders gutes Ausgangsmaterial. Sie sind vergleichbar mit Bildern, die als jpg gespeichert sind. Mit jeder Bearbeitung oder Veränderung werden sie ein Stück schlechter, weil sie jedes Mal wieder verlustbehaftet komprimiert werden. Diese Verluste addieren sich nicht nur, sondern können sich im schlechtesten Fall auch gegenseitig verstärken. Edits oder Remixe aus MP3s zu basteln, kann der Audioqualität ziemlich schnell den Rest geben. Die Timestretching-Algorithmen, die genutzt werden, um die Geschwindigkeit von Tracks bei gleichbleibender Tonhöhe zu verändern, reagieren mit hoher Wahrscheinlichkeit auch eher mit mehr als weniger Artefakten auf MP3-Komprimierung. (Doch das ist eine andere Geschichte und soll ein anderes Mal erzählt werden.)
Testdesign fragwürdig
Was also ist mein Problem mit Tidal? Nun, ich stehe auf dem Standpunkt, dass der angebotene Hörtest wenig bis keine Aussagekraft hat. Die Unterschiede zwischen den zu beurteilenden Files sind -mir zumindest- einfach zu klein, um zu beurteilen, was denn nun besser oder schlechter ist. Zur Erinnerung: „High Fidelity“ ist kein Maß dafür, ob etwas „gut“ klingt, sondern wie klein der Unterschied zur Originalaufnahme ist. Es geht also um die Unterschiede, die den Unterschied machen. Und die sind -je nach verwendeter Musik- ziemlich klein. Der vorliegende Test zielt aber darauf ab, eine Art „absolute Qualität“ zu hören und die kann es nicht geben.
Ich habe den Test 4 Mal gemacht und konnte mein Ergebnis nicht ein einziges Mal reproduzieren. Damit ist der Test für mich schon wertlos. Dass ich -je nach Tagesform, Gesundheitszustand, usw usw- unterschiedlich gut höre, ist klar. Das sollte aber nur dazu führen, dass die Unterschiede größer oder kleiner werden. Was aber passierte war, dass ich mal die eine und mal die andere Aufnahme „besser“ fand. Es gab im Test zwei Ausnahmen: Bei James Drakes „The Wilhelm Scream“ fand ich immer die HQ-Version besser, weil der Unterschied der Kickdrums einfach zu groß war und bei den Dixie Chicks fand ich konsequent die eigentlich schlechtere Aufnahme besser. Natürlich kann das an mir und meinen „Holzohren“ liegen, your mileage may vary…
Also, ohne zu wissen, wie es denn klingen soll, kann man wenig Aussagen über Wiedergabequalität treffen. Dazu kommt, dass ich nirgendwo eine Information gefunden habe, in welcher Qualität die schlechteren Files vorlagen. Nicht unbedingt eine Maßnahme, die Vertrauen bei mir schafft.
Dennoch war der Test für mich überhaupt nicht wertlos, denn ich habe eines wieder ganz deutlich gemerkt: Die Qualität der Aufnahme ist wesentlich wichtiger, als die der Wiedergabekette. Ein stumpfer Klangbrei wie „Flesh and Bones“ von The Killers klingt immer wie ein schlechtes MP3 und eine referenztaugliche Aufnahme wie Daft Punks „Give Life Back to Music“ wird auch auf einem Küchenradio luftig und angenehm klingen.
Insgesamt fand ich persönlich die Unterschiede so klein, dass sie keinerlei Aufpreis rechtfertigen.
Aber wie gesagt: Das gilt für „streamingtypische“ Hörsituationen. Im Club und im Studio sieht die Sache wieder ganz anders aus. Das Erste, was bei der Audiokompression verloren geht, ist der Druck und das hört man bei hohen Lautstärken zuerst.
Ich habe übrigens für den Test einen Momentum-Kopfhörer der Firma Sennheiser benutzt.
Das Titelbild zeigt mein letztes Ergebnis. Beim ersten Durchlauf kam ich auf 4 von 5 Richtige. Mein Ergebnis war jedes Mal ein anderes.
Neugierig geworden? Hier kannst du den Test selbst machen.
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