Angst vor Kitsch hat der Mann offenbar überhaupt nicht, was in seinem Fall mehr als klargeht. Der Neuseeländer Noah Slee ist erst seit ein paar Wochen in Berlin, wo sein Management und sein Produzententeam Kitschkrieg residiert. In Rekordzeit hat sich Noah ins Line-Up des Berlin-Festivals katapultiert und stand dort in einer Reihe mit Chet Faker, Howling oder James Blake. Wie macht der Mann das? Mit einer fluffigen Wolke Pop-Appeal, einem fantastischen TLC-Cover und einer Stimme, die sich irgendwo zwischen Fleet Foxes-Sänger Robin Pecknold, 90er-Schmuse-RnB und Weltraum bewegt. Geil? Geil!
1 Kunterbunt oder Schwarz/Weiß?
Schwarz/Weiß. Das ist einfach zeitlos und klassisch.Und irgendwie entspricht dieses Schwarz/Weißes Schema auch meiner aktuellen Lebenssituation und dem wie ich mich gerade fühle. Das spiegelt sich auch in ästhetischen Fragen wieder. Mein Video ist in Schwarz/Weiß gehalten und mein Artwork auch.
2 Chet Baker oder Chet Faker?
Chet Baker, auch einfach nur deswegen, weil er das Original ist. Wenn du meine iTunes-Playlist checken würdest, könntest Du sehen, dass ich „My funny valentine“ mindestens 1000 Mal angehört habe. Ich bin ein Riesen-Fan!
3 Songs schreiben oder Songs performen?
Ehrlich gesagt, eher einen Song schreiben. Jetzt gerade ist Songwriting ein großes Ventil für mich. Wenn ich einen Song fertig geschrieben habe, ist das immer eine wahnsinnig befriedigende, heilende Sache und macht mich glücklich. Im Moment bin ich weit weg von zuhause, habe gerade eine Trennung hinter mir. In der Lage zu sein, dass alles schreibend verarbeiten zu können macht mich sehr glücklich. Ich höre gerade sehr viel Folk und lasse das in meine Arbeit einfließen. Songwriting im Folk ist sehr poetisch, metaphorisch und bildhaft.
4 Mittelerde or Mitteleuropa?
Mittelerde. Weil das einfach Heimat für mich ist. Ich bin auf einer Farm auf der Nordinsel aufgewachsen. In einer Gegend, die aussah wie Mittelerde. Aber auch ganz nah am Meer mit schwarzem Sandstrand. Das sind magische Landschaften und jedes Mal, wenn ich dort bin, fühlt sich das nach Frieden und Heimat an.
5 THC oder TLC?
Schwere Frage(lacht).Beides, weil die Kombination echt gut ist. TLC auf THC. „Waterfalls“ von TLC habe ich mal gecovert. Ich habe acht Geschwister und „Waterfalls“ wurde damals bei uns zuhause rauf und runter gespielt. Überhaupt haben meine Geschwister einen riesigen Einfluss auf meinen Musikgeschmack gehabt, vor allem die älteren. Jeder meiner Geschwister steht für einen bestimmten Einfluss auf meine Musik. Einer meiner Brüder steht auf Gangsta-Rap, ein anderer auf jamaikanischen Rootsreggae. Meine Schwester steht voll auf 90s RnB. Meine Eltern hören viel alten Funk und RnB. Ich bin echt dankbar für all diese Einflüsse.
6 Tonga oder Tempelhof?
Tonga, auf jeden Fall! Muss ich aber auch sagen, sonst gibt’s Ärger daheim. Meine Eltern kommen aus Tonga und es ist wirklich paradiesisch dort. Ich bin zwar in Neuseeland geboren, aber daheim wurde tongaisch gesprochen und gekocht. Ich fands echt gut, dass ich diesen kulturellen Einfluss hatte und gleichzeitig in einem Land wie Neuseeland aufwuchs. Auch auf meine Musik hat das natürlich Einfluss. Ich verwende gerne tongaische Backgroundchöre. Das soll auch noch mehr werden, gerade auch was den visuellen und ästhetischen Aspekt angeht. Auch tongaische Rhythmen kombiniert mit modernen Einflüssen funktionieren bestimmt gut.
7 Dubstep or Dub?
Ich liebe Dub, vor allem Roots Dub oder auch Fat Freddy´s Drop, mit deren Musik ich aufgewachsen bin. Dubstep ist irgendwie immer an mir vorbeigegangen.
8 Strophe oder Refrain?
Refrain. Die Musik, die ich mag und an der ich mich orientiere, nutzt die Strophen um Geschichten zu erzählen. Ein guter Refrain ist das Beste und wirkt oft wie eine Befreiung. Meine wichtigsten Botschaften transportiere und verdichte ich im Refrain. Meistens nutze ich die erste Strophe um meine Sicht auszudrücken. Die zweite Strophe ist oft an Freunde gerichtet, die sich damit in Verbindung zu mir setzen können. Aber natürlich kann es jeder interpretieren, wie er will.
Wenn ich Songs schreibe, greife ich oft meine Erfahrungen mit anderen auf. Das kann auch nur eine Stimmung oder eine kurze Situation sein, die mich inspiriert ganze Songs zu schreiben. Ich hatte einmal eine ganz kurze, magische Begegnung mit jemandem. Wir fühlten uns so, wie wenn wir uns seit Ewigkeiten kennen würden. Ich habe die Person nie mehr wieder gesehen, aber ich habe einen meiner persönlichen Lieblingssongs darüber geschrieben.
Ein anderer Song, den ich geschrieben habe dreht sich um meinen kleinen Neffen, der als der Song entstand gerade seinen Vater verloren hat. Als das passiert ist, lag auf ihm eine unglaubliche Anspannung und ein riesiger Druck. Ich habe versucht das Ganze aus seiner Perspektive zu beschreiben, habe versucht mich in seine total bizarre, für ihn unlösbare Situation hineinzuversetzen. Ich hoffe, dass ich ihm eines Tages damit erklären kann, wie er auf mich wirkte. Diese ganzen Geschichten sind für mich sehr real und direkt. Ich hoffe, dass sich mein Publikum damit in Verbindung setzen kann.
9 Winter in Wellington oder Winter in Berlin?
Winter in Berlin. Ich habe den Winter in Berlin wirklich genossen, auch wenn ich wahrscheinlich der Einzige war. Irgendwie passt die Winter-Stimmung zu Berlin. Ich habe sechs, sieben Jahre in Brisbane/Australien gewohnt und da bedeutet Winter zwei, drei Wochen um die 10 Grad und alle jammern darüber. Die Sommer sind richtig heiß und nicht auszuhalten eigentlich.
10 Festival-Show oder Vorprogramm?
Festival, wahrscheinlich. Als Support aufzutreten fühlt sich sehr nach Arbeit an und die Leute warten auch eigentlich auf den Hauptact. Dieses Erzwingen und Aufdrängen ist manchmal nicht gut für die Musik an sich. Es ist eine Herausforderung, aber ich würde trotzdem Festivals bevorzugen. Letztes Jahr war ich auf einer Festivaltour und bin mit D´Angelo, Mos Def, Common und einigen amerikanischen Soulgrößen aufgetreten, was großartig war. Ich liebe diese Musik.
Wenn du in Australien in einen Plattenladen gehst wirst du viele Country- und Rockplatten oder Beatles-Sachen finden. In Neuseeland hingegen eher Donny Hathaway oder Sam Cooke. Auch HipHop und alter RhythmnBlues ist in Neuseeland definitiv beliebter. Das hat auch etwas mit der sozialen Situation zu tun. Wir haben in Neuseeland auch große soziale Probleme wie Gentrifizierung, benachteiligte Gruppen oder Ausgrenzung. Zwar in einem kleineren Ausmaß als in den USA, aber es sind ähnliche Themen, auch in der Musik.
Das merke ich immer wieder, wenn ich mich mit amerikanischen Musikern austausche und ihnen Musik aus Neuseeland zeige. Und trotzdem sind da Unterschiede.
Viele neuseeländische und australische Musiker machen sich, finde ich, zu viele Gedanken darüber, dass sie amerikanischer Musik zu ähnlich wären. Ich habe lange in New York gelebt und denke, dass jemand aus Detroit oder New York letztendlich niemals so klingen wird, wie jemand aus Auckland/Neuseeland. Aber auf dem einen oder anderen Weg wird man sich trotzdem treffen, weils eben um Musik geht und nicht darum welchen Dialekt du hast oder woher du kommst.
pics by: °awhodat° (www.awhodat.com)
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