Der Artikel hier ist von einem Kommentar zu einem Kommentar zu Alinas „Farin-Nazis-Versager„-Artikel inspiriert. Vom Inhalt her ist so eine Wortmeldung natürlich eher eine der Inspirationen, auf die man lieber verzichten würde, aber inspiriert ist inspiriert…
Kommentator DD verzichtet bei seinem Kommentar zwar auf volksverhetzende, konzentriert sich stattdessen allerdings auf ignorante und menschenverachtende Standpunkte:
ich gehöre sicherlich zu der Sparte, die du so verabscheust und der du nachsagst, dass es alle Versager sind, die Vorurteile und Ängste haben.
ich möchte dir nur mitteilen, dass es auch andere Gründe geben kann; ich bekenne mich zum Christentum und für mich ist die deutsche Kultur sehr lebenswert und wenn ich in deutschen Städten mitansehen muss wie deutsche Kultur durch islamische Kultur verdrängt wird so muss ich das nicht gut finden. Warum denn demnächst nicht in meinem Stadtteil? Was dann? Wird meine Frau dann bedrängt, weil sie keine Burka trägt? Werden die christlich erzogenen Kinder von den muslimisch erzogenen Kindern verschlagen oder ausgegrenzt? Das sind Tatsachen, die es in Deutschland bereits gibt und warum sollten sich diese Bereiche nicht ausweiten, wenn die Anzahl der Muslime zunimmt?
Welche deutsche Kultur wird den von welcher islamischen verdrängt?
ich bekenne mich zum Christentum und für mich ist die deutsche Kultur sehr lebenswert und wenn ich in deutschen Städten mitansehen muss wie deutsche Kultur durch islamische Kultur verdrängt wird so muss ich das nicht gut finden.
„Deutsche Kultur wird durch islamische verdrängt“? Eher bereichert. Und das meine ich ernst. 100%ig.
Meine Oma findet Anglizismen furchtbar und spricht immer davon, wie schön doch die deutsche Sprache sei. Dass die deutsche Sprache aber nicht fabrikneu 1945 aus Klarsichtfolie ausgepackt wurde und seitdem unverändert (bis auf diese verdammten Anglizismen!) ist, will sie nicht wahrhaben. Wir haben so krass viele aus anderen Sprachen entlehnte Wörter, Redewendungen etc bei uns drinnen, dass es auf das „yolo“, „blu-ray“ und „cool“ jetzt auch nicht mehr ankommt. Sprache ist, genau so wie Kultur, hochgradig dynamisch.
Ich habe in Indien gesehen, wie die dort auf alles Westliche abfahren, auf Rap, Mode und Angry Birds. Viele Flüchtlinge wiederum sind riesige Fans von spanischen Fussballvereinen. Kultur ist noch nie stabil gewesen, sondern wandelt sich ständig im Austausch mit anderen Kulturen.
Es ist 2015. Ich esse Mittagessen beim Türken, abends Snacks beim Thai, trinke belgisches Bier und sehe mir abends eine US-produzierte Vice-Doku über Nordkorea an. Ist das nicht geil so? There’s a time and a place for everything. „Breaking Bad“ ist zur Entspannung einfach leicht besser geeignet als Goethe oder Kafka (übrigens jüdischer Deutscher in Tschechien…und das schon vor 100 Jahren).
Werden demnächst deutsche Frauen diskriminiert und bedroht, wenn sie keine Burka tragen?
Warum denn demnächst nicht in meinem Stadtteil? Was dann? Wird meine Frau dann bedrängt, weil sie keine Burka trägt?
Es wird keine deutsche Frau in Deutschland bedrängt, weil sie keine Burka trägt. Ganz im Gegenteil: Menschen, die in ihren Heimatländern unterdrückt werden und den genannten und ähnlichen Zwängen unterliegen, kommen zu uns nach Deutschland. Weil das bei uns hier kein Thema ist. Also, kurz und knapp: Deine Frau wird nicht bedrängt. Nein.
Übrigens hier ein Kompliment für deine Diskussionsetiquette. Nicht selten wird auf Facebook auf einschlägigen Seiten bei dem Thema direkt noch die „die vergewaltigen deutsche Kinder„-Keule ausgepackt und geschwungen. Da krampft sich bei mir alles bis zur temporären Lähmung zusammen vor Verwirrung und Wut.
Werden christlich erzogene Kinder von muslimisch erzogenen Kindern diskriminiert?
Werden die christlich erzogenen Kinder von den muslimisch erzogenen Kindern verschlagen oder ausgegrenzt? Das sind Tatsachen, die es in Deutschland bereits gibt und warum sollten sich diese Bereiche nicht ausweiten, wenn die Anzahl der Muslime zunimmt?
Das Problem ist kein religiöses, sondern ein soziales/psychologisches. Ja, ich wurde als Kind prozentual deutlich mehr von türkischen und russischen Kindern verprügelt, als von deutschstämmigen. Vor etwa einem Jahr wurde mir in der Straßenbahn von einem angetrunkenen Roma-Teenager ins Gesicht gespuckt. Alles super uncool.
Nur hat das Ganze wenig mit Religion und Herkunft zu tun, sondern viel mehr mit sozialem Status und gesellschaftlichem Klima. Ich trage 130€-Turnschuhe, bin Akademikerkind, meine Mamma hat sich 18 Jahre lang beinahe rund um die Uhr um meine Erziehung gekümmert, ich werde von der Polizei nicht ständig durchsucht, weder mein Name noch meine Hautfarbe hat mich jemals daran gehindert, einen Job zu bekommen, in einen Club zu kommen, Chancen wahrzunehmen etc etc etc…geiles Leben halt.
Ein ultrakorrekter, in Deutschland geborener, auf einem katholischen Gymnasium sozialisierter Freund von mir hat von seinem türkischen Pappa ein paar „Sachen“ mitbekommen. Die äußerlich schnell auffallenden drei sind die Nase, die dunkle, lockige Friese und der durchaus nicht deutsche Vor- und Nachname. Der Bursche hat Spaß bei der Wohnungssuche, sag‘ ich dir. NICHT. Da hilft auch sein Elite-Studiengangabschluss und seine ganze christlich-esque Nächstenliebe, sein Pazifismus und seine Modern-Talking-Playlist nicht.
Alleine der Halo-Effekt und das momentan so extrem xenophobe Klima in Deutschland sorgen gemeinsam dafür, dass diejenigen, die tendenziell eh schon im gesellschaftlichen Abseits stehen, sich dort mehr und mehr verankern. Das frustriert natürlich – und führt hier und dort evtl. zu Überreaktionen. Systematisch, bösartig und von oben herab wird allerdings von rechts geprügelt…äh, angezündet.
Willst du tatsächlich andere Menschen ausgrenzen, aus Angst davor, dass „wir“ sonst in Zukunft ausgegrenzt werden? Die Ironie ist doch unverkennbar, oder? Genau diese Ausgrenzungstendenzen sind es, die allen Norm-Abweichlern das Leben schwer machen und sie frustrieren.
Irrationale Ängste, die gar nicht irrational sind
Weiter geht’s in einem zwei Wochen nach dem ersten Kommentar wieder von „DD“ veröffentlichten Kommentar, mit dem er/sie auf einen anderen Kommentator antwortet:
Ich hab davon geschrieben, dass es bereits in Deutschland und anderen europäischen Ländern geschieht, also kannst du hier nicht von irrationalen Ängsten sprechen. Ich frage Dich: läuft das hier nicht aus dem Ruder?
Zur Vokabel „irrational“: Die Überfremdungsangst ist bei „pi-news“-LeserInnen selbstredend größer und scheinbar rational begründbar. Tatsächlich ist die Faktenlage aber nicht so, wie sie uns derartige Newsportale, die FPÖ, die AFD, die NPD oder sonstige rechte Kräfte zu präsentieren versuchen.
Die taz mag ein politisch durchaus im sehr linken Spektrum angesiedeltes Blatt sein…aber in Sachen Quellen, Statistik und Ratio machen die Damen und Herren dort durchaus ihre Hausaufgaben. Die linken Schlussfolgerungen sind keineswegs irrational.
Rechte Publikationen/Blogs/FB-Seiten arbeiten da (teils durchaus wissentlich und absichtlich) deutlich weniger gründlich und verallgemeinern viel auf Basis von wenigen Einzelfällen, die gut in das aktuelle narrative Muster passen. Das wäre dann im reinsten Sinne des Wortes „irrational“.
Rassisten, die gar keine Rassisten sind und Terroristen die gar keine Terroristen sind
Besorgte Bürger soll man jetzt Terroristen nennen? Bürger, die stolz darauf sind deutsch zu sein sind jetzt Rassisten? Bürger, die aufgrund von Überfällen nicht mehr aus dem Haus gehen sind Rassisten?
Terroristen sind Menschen, die in irgendeiner Form terroristische Akte verüben. Besorgte Bürger, die Brände legen, prügeln und Steine werfen sind also Terroristen. Bürger, die sich Sorgen machen, sind besorgte Bürger. Bei der Art der Sorgen könnten wir natürlich wieder das Spiel „irrational vs. rational“ spielen, und da wären wir schon bei deinem nächsten Satz:
„Bürger, die aufgrund von Überfällen nicht mehr aus dem haus gehen sind Rassisten?“. Nein. Bürger, die in Deutschland auf Grund von Überfällen nicht mehr aus dem Haus gehen sind paranoid. Menschen, die – zum Beispiel in Freital – sehr wohl aus dem Haus gehen und im Schutz eines wütenden Mobs dagegen protestieren, dass ihren Mitmenschen von Außerhalb aus der Patsche geholfen wird: Das sind Rassisten.
Wo soll diese Hexenjagd noch hinführen? Wenn du genauer über den Begriff Hexenjagd nachdenkst, dann wirst du die grosse Ähnlichkeit dazu erkennen.
Ich hab‘ im Rahmen der Arbeit an diesem Artikel gründlich über den Begriff „Hexenjagd“ nachgedacht. Allerdings sehe ich nicht die besorgten Rassisten im Fadenkreuz der Hexenjagd, sondern…komm‘, das brauch‘ ich hier jetzt nicht schriftlich zu manifestieren, oder? Na komm! Diese Menschen, die ständig Deutsche überfallen und christlich erzogene Kinder verprügeln? Na?
Nein? Echt nicht? Oh Mann…
Die Diskussion könnten wir relativ lange weiterführen. Bis dahin aber mal eben eine Bitte (und damit zurück zum Thema des Originalartikels): Vergegenwärtige dir bitte mal, dass deine Geburt in Deutschland ein Riesenglücksfall war. Wie viele Kriege hast du mitgemacht? Wie oft wurde dein Dorf von Terrorschergen niedergebrannt, deine Familie bedroht? Wie oft hast du Angst haben müssen, dass das Trinkwasser mit grausigen Viren kontaminiert sein könnte? Etc etc etc.
Wieso nicht etwas gnädiger mit den weniger Glücklichen?
Einfach nur danke. Danke für eure tollen Posts.
Solche Kommentare sind schönere Inspiration! Danke!
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Ihr schafft es, sehr klar und Stellung beziehend, das in Worte zu fassen, was ich so oft nicht hinbekomme. Polarisierend, aber nicht diffamierend. Aufrüttelnd, aber nicht aburteilend. In den Allerwertesten tretend, aber Augen öffnend. Ich danke euch sehr dafür und hoffe, dass durch genau solche Beiträge vielleicht tatsächlich der eine oder andere ins Nachdenken gerät und vielleicht zukünftig weniger laut schreit. Macht bitte weiter so!
Viele Grüße,
Manuel
Danke dir! Hilft! 🙂
Gut gut…
Wenn du so ein unglaublicher Menschenfreund bist, dann quartiere dir bitte nur einen Pakistani bei dir zu Hause ein und komm damit zurecht. Unzumutbare Massenquartiere wären nicht notwendig, hätte jeder Maulheld mit offenen Herzen auch eine offene Tür. Worauf wartest du? Wovor hast du Angst Akademikerkind aus gutem Hause? Vielleicht könnte dir DEIN Gast ins Gesicht spucken und dein Bild vom dankbaren Flüchtling zerstören oder vielleicht auch nicht. Er könnte sich in die Hausarbeit einbringen, mit dem Hund eine Runde Gassi gehen … oder ihn abstechen worauf du ihn am nächsten Tag in deiner Mülltonne findest. Was auch immer passieren möge, wissen kannst du es nicht. Du hast keinen Erfahrungswert. Ich auch nicht. Die bequeme Variante: wir setzen uns mit dieser Frage nicht auseinander, lassen keinen Flüchtling bei uns hausen, weil es ja Aufgabe des Staates ist, sich darum zu kümmern… ..wir setzen uns nur dafür ein, dass er es tut.. wobei.. jetzt kommts .. wir sind der Staat! Jeder einzelne. Demokratie ist zwar ein sehr ausgelutschter Begriff, aber ja sie ist Utopie, weil jeder seine eigene Vorstellung hat und diese dem anderen unbedingt aufs Aug drücken will – Status q – Links gegen Rechts – Gut gegen Böse.
Wir streiten ob der Flüchtlingsstrom gerechtfertigt ist oder nicht, ob es Familien sind oder Terroristen blabla, während der Krieg weitergeht. Ein ewig, nicht enden wollender Krieg. Man sollte anfangen die richtigen Fragen zu stellen.
MEINES Erachtens ist ein internationaler Frieden anzustreben und keine, kontinuierliche kulturelle Selbstzerstörung bzw Rückentwicklung durch blauäugiges ‚helfen wollen‘.
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