Ist euch bestimmt auch schonmal so gegangen: Ihr sitzt entspannt in einem der öffentlichen Verkehrsmittel und wollt tun, was man eben in öffentlichen Verkehrsmitteln so tut (zum Beispiel den Sinn des Lebens finden, oder mit der Nase Penisse in den Fensteratemdunst zeichnen). Und dann kommt da jemand, der sich mit seiner nervtötenden Stimme in euren Kopf einnistet wie ein hässlicher Tinnitus. Man kann einfach nicht mehr weghören. Obwohl es wehtut. Und einen gar nichts angeht.
Jetzt kann ich meinen Frust an den Tätern auslassen und sie mit angetrockneten Kaugummis beschmeißen, ein wenig Mitleid empfinden ob der Tragödien, die sich abspielen, oder ich denke mir, geteiltes Leid ist halbes Leid. So wie Kelly Keegs, als auf ihrem Flug ein Typ in ihrer Sitzreihe doch tatsächlich mit seiner Freundin Schluss machen musste. Keegs selbst machte auch keine halben Sachen, ließ gleich die ganze Twitter-Welt partizipieren, und erntete dabei einen Haufen Aufmerksamkeit. Fand ich im ersten Moment so semi-cool. Immerhin ist das ja Privatsache der beiden. Okay, sollte dann eventuell auch nicht im Flieger geschehen.
Bei genauerem Hinsehen wurde mir aber klar, warum Keegs Tweets abgingen wie die Zäpfchen, oder, wie die Klugscheißer in der Antike gesagt hätten, das Publikum schaudern und jammern ließen und in höchste Erregungszustände versetzten. Der Herzensbrecher und seine Gebrochene hielten sich nämlich peinlichst genau an das klassische Dramenkonzept. Aristoteles (das ist der mit den vielen Zitaten) wäre begeistert gewesen. Seht selbst:
Exposition:
Die handelnden Personen werden eingeführt, der Konflikt kündigt sich an
This guy on the plane just broke up w his girlfriend and she’s SOBBING pic.twitter.com/IW9QVYxXdB
— Kelly Keegs (@keegs141) 23. August 2015
Guy: „is this really a surprise? Are you seriously surprised at this information?“
— Kelly Keegs (@keegs141) 24. August 2015
Girl: „Great. JUST GREAT. I’m so glad I paid 40 extra dollars to be on this fucking flight with you“ — Kelly Keegs (@keegs141) 24. August 2015
Komplikation:
Steigende Handlung – mit erregendem Moment (hihi); die Situation verschärft sich
Guy: I don’t care. Girl: IM GLAD YOU DONT CARE — Kelly Keegs (@keegs141) 24. August 2015
Girl: „ITS JUST SO MEAN. DO I DESERVE THIS? WHY ARE TOU BRINGING THIS UP“ — Kelly Keegs (@keegs141) 24. August 2015
„I don’t want to be this girl. I don’t want to be her. I want to be my best for you and YOU WONT LET ME“ — Kelly Keegs (@keegs141) 24. August 2015
Girl: „you don’t even understand why I’m FUCKING SAD. YOU HATE EVERYTHING ABOUT ME“
— Kelly Keegs (@keegs141) 24. August 2015
Peripetie:
Die Handlung erreicht ihren Höhepunkt (hi.. okay.)
Guy: „You need to calm down“ Girl: „To me I just really thought, you know, this was going to go somewhere“
— Kelly Keegs (@keegs141) 24. August 2015
**loud sobs**
— Kelly Keegs (@keegs141) 24. August 2015
„I’m going to ask Charlotte. I’m going to ask her the minute we get home and we’ll see if your STORIES MATCH“ (Omg scandal who’s Charlotte?)
— Kelly Keegs (@keegs141) 24. August 2015
Retardation (Verlangsamung):
Fallende Handlung – mit retardierenden Momenten; bevorstehende Katastrophe
Guy: „I can’t discuss this anymore.“ Girl: „so I’m not worth your time????“ — Kelly Keegs (@keegs141) 24. August 2015
**silent sobs, lots of sniffling**
— Kelly Keegs (@keegs141) 24. August 2015
Katastrophe:
Alle Konflikte werden gelöst, die Handelnden sittlich gereinigt/geläutert
What the fuck? Now they’re making out. I’m not kidding
— Kelly Keegs (@keegs141) 24. August 2015
We took off, they immediately ordered SIX vodkas and Bloody Mary mix for the 50 minute flight and chugged them in silence between makeouts — Kelly Keegs (@keegs141) 24. August 2015
Einheit des Ortes, der Zeit und der Handlung
Passen auch – Flugzeug, 50 min Flugzeit, keine Nebenhandlungen. Der feuchte Traum eines jeden Dramatikers. Ein letzter Cliffhanger: Wer ist bloß der Typ in den Flamingo-Shorts?
I wonder if Flamingo Shorts is happy with his publicity. We were in this together, Flamingo Shorts.
— Kelly Keegs (@keegs141) 24. August 2015