Nicht einfach, aber möglich: so bekommst du die Informationsflut im Netz unter Kontrolle

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In seinem Artikel Können wir bitte endlich aufhören, Facebook als „soziales Netzwerk“ zu bezeichnen? hatte Flodoard Quolke kürzlich das Verwahrlosen seines Facebook-Feeds moniert, der sich zunehmend aus automatisch generierten Inhalten und weniger sozialen Empfehlungen zusammenstellte und damit für ihn keinen Informationsgehalt mehr bot. Dieser Artikel ist zum einen eine Replik auf seinen Text, zum anderen eine hoffentlich ausreichend strukturierte Sammlung meiner Gedanken zu den Themen Informationsbeschaffung, Informationsmanagement und Informationsfilterung in Zeiten einer durch das Internet stetig anwachsenden Flut an Informationen. Gleichzeitig werde ich diese Gedanken mit einigen technischen Tipps garnieren, mit Hilfe derer ich meine alltägliche Informationsflut bewältige.

Beschaffung von Informationsquellen

Zunächst gilt es drei sehr banale Einsichten festzuhalten, zu denen mich das Internet mit seiner schier unendlichen Menge an Informationen gezwungen hat:

  1. Die dir zur Verfügung stehende Zeit ist begrenzt
  2. Du wirst niemals alles wissen
  3. Du wirst niemals alles lesen können

Daraus ergibt sich direkt, dass man gezwungen ist zu filtern oder filtern zu lassen, auf letzteres gehe ich später noch ein. Aktuell habe ich insgesamt 161 RSS-Feeds abonniert und folge 161 Twitter-Accounts. Seit ich meinen RSS-Reader nutze, habe ich über ihn ca. 80000 einzelne Artikel gelesen, davon sind Stand heute ca. 250 ungelesen. Im Schnitt macht das über die letzten 5 Jahre also knapp 44 Artikel / Tag, wobei es natürlich auch Tage oder Wochen (selten) gibt, in denen ich den Feed-Reader gar nicht anfasse.

Die RSS-Feeds splitten sich dabei auf in Feeds, die von Webseiten wie z.B. den Blogrebellen direkt bereitgestellt werden sowie Feeds von Seiten, die eigentlich keinen RSS-Feed bereitstellen. Ich werde die hierfür verwendeten Tools später genauer vorstellen. Ihr habt es gemerkt: RSS-Feeds! Ja, genau, diese Technik, der spätestens seit dem Sterben des Google-Readers schon öfter der Tod vorausgesagt wurde. Um eben diese RSS-Feeds dreht sich mein gesamter Informationsfluss.

Nichts verabscheue ich im Rahmen der Informationsbeschaffung mehr, als die eigentliche Quelle als primären Bezugsort zu nutzen. Etwas salopper ausgedrückt: Ich habe keinen Bock auf werbeverseuchten Webseiten herumzusurfen und mir meine Informationen zu „pullen“, nein, ich möchte, dass die Informationsquelle sie zu mir „pusht“. Der Unterschied ist hier zunächst, dass ich nahezu keinen Aufwand treiben muss damit die Information zu mir gelangt. Ich gerate nicht in die unschöne Situation, in der ich von verschiedenen anderen Teasern, Artikeln, Werbebannern etc. abgelenkt werde von der eigentlichen Information die ich beziehen möchte. Technisch betrachtet „pullt“ mein Feed-Reader natürlich durchaus von den konfigurierten Quellen, aber das stellt sich für mich nicht so dar, wenn ich einfach den Feed-Reader öffnen kann und alles schon da ist.

Daher landet bei mir jede Information, in meinem Feed-Reader. Ich sprach weiter oben von Informationsfilterung – dies ist das erste Mittel zur Informationsfilterung das dafür sorgt, dass ich Informationen zu den von mir diktierten Konditionen konsumieren kann. Zu 99%, denn ja, ich mache Ausnahmen, aber die müssen schon einen sehr triftigen Grund haben. Ja, dadurch entgeht mir vielleicht etwas, stimmt, aber hierzu verweise ich auf die oben genannten Einsichten.

Bezugnehmend auf Flodoards Artikel ist das meiner Ansicht nach eines der Probleme von Facebook. Wenn du auf Facebook (und das sei hier nur als Platzhalter für jedes andere soziale Netzwerk genannt) Informationen konsumierst, machst du das zu Facebooks Bedingungen: Facebook selektiert für dich vor, Facebook bestimmt das User-Interface durch das du dich bewegst. Facebooks Ziel kann per Definition nicht sein, dass deine Informationsaufnahme effizient ist, denn dann würdest du weniger Zeit dort verbringen und weniger Einnahmen generieren.

Management und Filtern von Informationen

Eine zweites Mittel zur Filterung ist, so befremdlich das auch klingen mag, dass ich eine Quelle gar nicht abonniere. Gründe hierfür könnten z.B. sein:

  • Die Quelle lässt sich nicht in meinen Feed-Reader integrieren, also bietet keinen RSS-Feed und ist auch durch RSS-Bridge nicht parsebar (Details siehe technischer Abschnitt ganz unten)
  • Die Quelle stößt Informationen in einer Frequenz aus, für die meine Zeit schlicht nicht ausreicht.

Beispiel: Ein Twitter-Account, der nach meinem persönlichen Maßstab zwar wertvolle Informationen bietet, aber davon 300 am Tag, ist für mich nicht handhabbar. Ich werde niemals dazu kommen alle Beiträge dieses Accounts zu lesen, selbst wenn sie interessant sind.

Bevor ich eine Quelle abonniere, schaue ich mir also zunächst ihre Historie an:

  • Wie oft werden Informationen ausgestoßen (1 pro Tag? 10 pro Tag? 300 pro Tag?)
  • Gibt es Zeiten von Informationsspitzen

Beispiel: Ein Account, der für gewöhnlich recht interessant ist, die Person ist aber Fußballfan und jede Woche gibt es 50 Fußball-Tweets. Bin ich bereit das in Kauf zu nehmen? Sind die restlichen Informationen es wert, dass ich mit den 200 Tweets pro Monat meine Zeit verschwenden möchte? Man bedenke: jeder Tweet in der Twitter-App durchläuft (zumindest bei mir) eine gewisse Routine: Von wem ist der Tweet? Finde ich das interessant? Möchte ich einen weiterführenden Link ggf. später noch Lesen, also muss ich ihn „faven“, damit er in meinem Feed-Reader landet?

Ausgehend von einer Sekunde pro Aspekt der Routine wären das 50 Tweets * 4 Wochen * 3 Sekunden = 600 Sekunden, also 10 Minuten – das klingt jetzt natürlich erstmal nach recht wenig, aber es läppert sich. Man stelle sich nur vor die 161 Accounts denen ich folge wären dieser Natur: Ich wäre knapp 9 Stunden pro Monat nur mit dem selektieren von Tweets beschäftigt.

  • Das Verhältnis zwischen wertvollen und wertlosen Informationen Information. Ich bin nicht bereit einem Account zu folgen, der nur 5% für mich wertvolle Informationen abwirft, egal in welcher Frequenz der Account das macht.

Bei alldem ist natürlich eines nicht außer Acht zu lassen: Die Attraktivität einer Quelle kann nach obigen Maßstäben verhältnismäßig objektiv eingeschätz werden, dennoch wird immer ein Stück Restsubjektivität bleiben. Das heißt, dass ich durchaus auch Quellen folge, die diese Kriterien nicht erfüllen und bei denen andere Aspekte eine Rolle spielen. Das ist akzeptabel, solange nicht jede Quelle eine Ausnahme darstellt.

Es bietet sich an, diese Routine des Abonnierens konsequent durchzuhalten, ansonsten wird man irgendwann von der Flut an Informationen erdrückt. Auch ist es ratsam, die Quellen von Zeit zu Zeit nochmal gegen diese Kriterien abzugleichen, denn Quellen können ihr Verhalten ja durchaus ändern. Dies passiert bei mir in der Regel nicht aktiv, sondern fällt mir nebenbei auf. Manchmal fällt mir der fallende Informationsgehalt einer Quelle auf, was ich zum Anlass nehme diese Quelle in den darauffolgenden Tagen oder Wochen genauer zu beobachten. Erhärtet sich das Gefühl so werde ich der Quelle nicht weiter folgen.

Das klingt nun alles sehr dogmatisch, aber in der Praxis ist das bei mir unterdessen eher ein subtiles Gefühl. Je öfter man diese Routine übt, desto zielsicherer kann man mit der Zeit für sich entscheiden ob es sich lohnt den „Follow“-Button zu drücken oder nicht. Das im Vorangegangenen beschriebene gilt natürlich nicht nur für Twitter, sondern für jedwede Informationsquelle. Da Twitter aber eine meiner Hauptinformationsquellen ist, bot es sich als Beispiel an.

Als drittes Mittel zur Informationsfilterung kann als Kriterium die Frequenz des Abrufs genutzt werden. Hier unterscheide ich in der Regel in Abhängigkeit davon, welcher Natur die Informationen der entsprechenden Quelle sind. Im Folgenden ein kurzer Überblick über meine Vorgehensweise.

Die Zeit beschreibt die Zeit, nach der an der Quelle nachgeschaut wird ob eine neue Information vorliegt. Das bedeutet natürlich nicht, dass ich alle 15 Minuten sämtliche News lese, nein, aber ich könnte es und wenn ich den Feed-Reader geöffnet habe, mache ich das auch. Die Eigenschaft von Neuigkeiten ist, dass sie gewissermaßen flüchtige Informationen sind. Sie vor anderen zu kennen kann Vorteile haben und erleichtert die Einordnung anderer Neuigkeiten.

  • News und Twitter-Favoriten: alle 15 Minuten
  • Software-Releases oder sicherheitsrelevante Informationen aus der IT: täglich
  • Musik (z.B. Soundcloud): täglich
  • Bilder (z.B. Instagram): täglich
  • Podcasts und Videoquellen: wöchentlich

Das ist natürlich nur meine Einordnung. Wichtig ist: überlege dir, wie dringlich eine Information ist. Ein Podcast läuft nicht weg. Musik und Videos ebenfalls nicht. Was also bringt dir eine Quelle und wie schnell musst du sie konsumieren damit sie Ihren Wert behält.

Es bietet sich an, Quellen mit hoher Frequenz relativ häufig abzurufen und auch zu konsumieren. Der Berg an ungelesenen Feeds, der sich anstaut wenn man eine News-Seite nur einmal täglich abruft, ist enorm und nimmt einem die Lust daran sie zu konsumieren.

Ein viertes Mittel der Informationsfilterung kann die soziale Komponente sein: Quellen, denen ich aus den weiter oben genannten Gründen nicht folge, abonniere ich manchmal indirekt. Das ist unscharf, aber gut genug. Ich verlasse mich an dieser Stelle darauf, dass andere Quellen (Twitter-Accounts, News-Seiten, was auch immer) die Information für mich vorfiltern.

Beispiel 1: Ich folge auf Twitter dem Stadtsoziologen und Aktivisten Andrej Holm. Ich könnte nun diversen Accounts folgen, die sich mit den Themen Gentrification und Stadtentwicklung beschäftigen. Das wäre aber, gemessen an meinem Interesse für dieses Thema, „mit Kanonen auf Spatzen geschossen“.

Beispiel 2: Ich folge auf Twitter meinem geschätzten Kollegen Hannes Eichblatt. Er folgt vielen Quellen, denen ich wegen der oben genannten Kriterien (hauptsächlich die Frequenz betreffend) nicht folge. Hannes retweetet sehr viel aus dem breiten Einzugsgebiet unseres Jobs.

Ich verlasse mich also darauf, dass Andrej und Hannes für mich filtern und wirklich relevante Dinge so ihren Weg zu mir finden. Klar, solche – ich nenne es mal „Filter-Follows“ – gehören sorgsam ausgewählt, das Konzept hilft mir aber sehr dabei nicht zu viele Quellen zu abonnieren.

Information versus Wissen

Ich sprach bisher sehr bewusst nur von Informationen. Informationen sind für mich flüchtig. Eine Information hat eine gewisse Halbwertzeit, nach deren Ablauf sie gänzlich wertlos oder immer wertloser wird. Ganz im Gegenteil zum Wissen. Wissen ist etwas das bleibt, das sich Anwenden lässt, etwas das einen intellektuell weiter bringt, sei es im Job oder im Privatleben. Ich bin mir sicher, dass man das eben geschriebene noch deutlich erschöpfender behandeln könnte, aber für den Rahmen dieses Artikels wollen wir es dabei belassen.

Der Unterschied zwischen Wissen und Information liegt auch in der Zeitspanne, die ich für den Konsum (und im Falle des Wissens für die Rezeption und Reflektion) benötige. Daher habe ich auch diesen Aspekt in meiner täglichen Routine gewürdigt – primär im Bereich Twitter, da hier der Durchfluss von Informationen und potenziellem Wissen enorm ist.

Scrolle ich durch die Twitter-Timeline, kann ich unmöglich jedem interessanten Link folgen. Das ist schlecht. Wie kann ich also dafür sorgen, dass ich den spannenden oder interessanten Artikel

  1. nicht sofort lesen muss, damit ich alle neuen Tweets „abarbeiten“ kann, statt in einem Artikel zu versinken und
  2. lesen kann, wenn ich die Zeit dafür habe und ihn dazu auch schnell genug wiederfinde?

Die Antwort? „Hack twitter!“ Nutze also, was dir von Twitter gegeben: den Stern. Es ist möglich einen Artikel mit einem Stern zu markieren und sich alle „Favoriten“ in seinem Profil anzeigen zu lassen. Wie oben bereits erwähnt, gehe ich an der Stelle noch einen Schritt weiter und sorge dafür, dass ein Tweet den ich als Favorit markiere, automatisch innerhalb von 15 Minuten in meinem Feed-Reader erscheint. Dazu aber später im technischen Teil dieses Artikels mehr.

In meinem Feed-Reader angekommen, kann der Tweet tagelang darauf warten, dass ich ihn anklicke. Habe ich die Zeit und die Muse einen interessanten oder langen Artikel zu lesen, so öffne ich den „Twitter-Favoriten“-Thread in meinem Feed-Reader und habe dort alle Dinge, die auf Twitter interessant waren, in strukturierter Form vorliegen.

Wenn ich den Artikel gelesen habe gibt es anschließend noch eine Archivierungsphase. Reicht es aus, dass ich den Artikel gelesen und verstanden habe? War der Inhalt möglicherweise so gut, dass ich ihn später vielleicht anderen zeigen möchte oder ihn einfach schneller selbst wiederfinden können will? Lösung: Ein Label im Feed-Reader – heißt bei mir „goodreads“ und enthält sämtliche Artikel die mich sehr bewegt haben oder intellektuell vorangebracht haben.

Routine

Will man eine große Menge an Quellen konsumieren, so ist es unvermeidbar eine gewisse Routine zu entwickeln. Diese Routine stellt primär sicher, dass die Menge an noch zu konsumierenden Informationen nicht unkontrolliert ansteigt und man irgendwann keine Lust mehr hat, 200 ungelesene Artikel anzuklicken. Hier muss jeder für sich seine ideale Balance finden, aber anbei mal meine grobe Routine über den Tag verteilt:

  • Morgens nach dem Aufwachen und vor dem Aufstehen
    • Mails checken
    • Twitter-Feed checken und relevante Posts „faven“ (sie landen anschließend im Feed-Reader)
    • Nur manchmal: Feed-Reader auf leicht konsumierbare Informationen (z.B. Instagram) checken
  • Weg zur Arbeit (Fahrtzeit ca. 30 Minuten)
    • einzelne, längere Artikel lesen
  • Mittagspause
    • Feed-Reader checken, News-Seiten lesen, Artikel die relevant sind innerhalb meines Feed-Readers zum „später lesen“ markieren
    • Twitter-Feed und relevante Posts „faven“ (sie landen anschließend im Feed-Reader)
    • Mails checken
  • Während der Arbeit (na komm‘, da machen wir uns mal besser nichts vor)
    • Twitter-Feed checken und relevante Posts „faven“ (sie landen anschließend im Feed-Reader) – ausschließlich in Mikropausen, z.B. wenn mal ein Script eine längere Laufzeit hat, während einem Telefonat ein Gesprächspartner etwas anderes tut usw.
  • Auf dem Heimweg
    • Twitter-Feed und relevante Posts „faven“ (sie landen anschließend im Feed-Reader)
    • einzelne, längere Artikel lesen
  • Zuhause
    • Twitter-Feed und relevante Posts „faven“. Wenn der Rechner an ist, habe ich den Twitter-Feed stets offen.
    • einzelne, längere Artikel lesen
  • Vor dem Einschlafen
    • Mails checken
    • Twitter-Feed checken und relevante Posts „faven“ (sie landen anschließend im Feed-Reader)
    • Nur manchmal: Feed-Reader auf leicht konsumierbare Informationen (z.B. Instagram) checken

Das klingt relativ anstrengend und ist natürlich nur ein grobe Orientierung und kein konkreter Zeitplan. An Wochenenden kommt man tendenziell eher dazu längere Artikel zu lesen oder neue Musik zu hören. Auch ist es nicht so, dass man mich ständig mit dem Mobiltelefon in der Hand sieht, das passiert alles in den über den Tag verteilten Mikropausen.

Und wenn wir nun schon über Routine sprechen, so verliere ich auch noch ein paar kurze Worte zum Thema E-Mail Posteingang, da das im Grunde auch nur eine andere Art von Informationsquelle mit Rückkanal ist. Ein Dauerbrenner sowohl im Job als auch Privat.

Mein Ansatz ist der „INBOX Zero“ Ansatz. Wenn eine Mail ankommt, lese ich sie, und definiere für sie eine der folgenden Aktionen

  • REPLY: Hierbei wird die E-Mail sofort beantwortet, oder in der INBOX belassen, bis sie beantwortet wurde. Nachdem sie beantwortet wurde, wird sie in das Archiv verschoben. Ist mir wichtig, dass ein Feedback auf meine Mail erfolgt oder muss ich später nochmal nachhaken beim Empfänger, so wird sie nach dem Beantworten nicht im Archiv sondern im Ordner „Antwort ausstehend“ abgelegt.
  • FORWARD: Die Information ist für andere relevant und wird daher weitergeleitet, anschließend wandert sie in das Archiv.
  • DELETE: Die Information wird konsumiert, die enthaltenen Informationen sind nicht weiter relevant, daher wird die Mail anschließend gelöscht.
  • ARCHIVE: Die Information wird konsumiert, die enthaltenen Informationen sind möglicherweise in der Zukunft noch relevant, daher wird die Mail anschließend archiviert. Es ist keine weitere Aktion notwendig

Zieht man das konsequent durch, sollte man nie in das Problem einer hoffnungslos überfüllten Inbox laufen. Zugegeben, gerade enthält meine Inbox noch 37 Mails, ein paar davon erfordern noch Aktionen, aber nicht alle – ich halte das also auch nicht konsequent durch, aber es ist der beste Ansatz den ich habe und der für mich gut genug funktioniert. Es gibt andere Ansätze, aber das würde den Rahmen dieses Artikels sprengen.

Abstraktion der Informationsquelle

Wie bereits mehrfach erwähnt: Der essenziellste Teil meines Informationskonsums ist mein Feed-Reader. Ich nutze neben Twitter ausschließlich ihn um Informationen zu konsumieren. Ich leite Twitter-Favoriten dorthin weiter, interessante Mails mit Links wandern ebenfalls dorthin. Kern der Sache ist also, dass ich keine andere Seite ansurfen muss, selten der Versuchung anheimfalle mich auf diversen Seiten mit diversen Links zu verfangen und nach 2 Stunden feststelle, dass ich gerade sehr unstrukturiert Informationen konsumiert habe.

Eine Informationsquelle zu abstrahieren bedeutet aber auch, dass man immer einen Weg finden muss, wie man einen neue Art von Quelle in die eigene Konsumumgebung (also meinen Feed-Reader) überführt. Diesem Aspekt widmet sich der nächste, sehr technisch gehaltene Abschnitt.

Technik & eingesetzte (Open Source) Software

Vorwort: Durch meinem Job als Linux Systemadministrator habe ich hier natürlich massive Vorteile was das Betreiben eigener Infrastruktur angeht. Ich betreibe meinen eigenen Server auf dem ich diverse Dienste, unter ihnen auch den Feed-Reader, betreibe. Dieser Abschnitt bezieht sich primär auf Personen, die ebenfalls in der Lage dazu sind. Die bisher genannten Aspekte der Informationsauswahl und Informationsfilterung sind aber grundsätzlich auch mit jedem Feed-Reader umsetzbar der als Online-Dienst angeboten wird. Einzelne Komponenten und Scripts setzen aber freilich vorraus, dass du weißt was du tust und das auch umsetzen kannst. Solltest das nicht auf dich zutreffen, so fahre mit dem Fazit ganz unten fort.

Feed-Reader

Dreh- und Angelpunkt ist bei mir die Software Tiny Tiny RSS. Der Entwickler dieser Software ist, wie ich selbst erfahren durfte, ein selbstgerechtes Arschloch (sorry, das musste raus) und ein Diktator, aber das Endprodukt stimmt und wird kontinuierlich weiterentwickelt.

tinytinyrss

Twitter-Favoriten

Zum Abruf meiner Favoriten von Twitter als ATOM-Feed nutze ich ein von Patrick Nagel modifiziertes PHP-Script. Dieses Script liegt auf meinem Server und wird als Quelle im TinyTiny RSS hinterlegt. Hierfür wird ein Twitter Developer Account benötigt. Nachdem dieser eingerichtet ist, könnt ihr im Script die entsprechenden API-Credentials und euren Nutzer-Namen konfigurieren. Das Script von Patrick ist ursprünglich dazu gedacht die eigene Timeline abzurufen, daher habe ich noch eine minimale Anpassung vorgenommen:

In Zeile 58 ist dafür

https://api.twitter.com/1.1/statuses/home_timeline.json

durch

https://api.twitter.com/1.1/favorites/list.json

zu ersetzen. Grundsätzlich lassen sich damit potenziell noch deutlich mehr Twitter-spezifische Dinge abrufen, alles was es dazu benötigt ist etwas Wissen über die Twitter REST API.

Webseiten ohne RSS-Feed

Vor nicht allzu langer Zeit habe ich bei der Suche danach, wie ich Facebook-Accounts als Feed abonnieren kann, Sébastien Sauvages Tool RSS Bridge entdeckt. Es ist sofort elementarer Bestandteil meiner Werkzeugkiste geworden. RSS-Bridge ist der Vorschlaghammer unter den Feed-Erzeugern. Das Tool ist letztendlich ein Scraper, der den HTML-Quelltext von Webseiten parsed und in eine strukturierte Form überführt. RSS-Bridge unterstützt dabei ein ganzes Potpourri an Webseiten, unter ihnen Facebook, Soundcloud, Bandcamp, Google+, Instagram, Pinterest und Youtube, um nur die bekanntesten Vertreter zu nennen.

RSS-Bridge ist sehr einfach einzurichten: PHP Curl-Extension installieren, „git clone“, fertig ist die Laube. Im RSS-Bridge Interface könnt ihr dann z.B. den Namen einer Facebook-Seite eingeben, anschließend bekommt ihr dann einen rohen Feed ausgegeben. Die URL in der Adressleiste könnt ihr dann in TinyTiny RSS als Quelle hinterlegen.

rss-bridge

Mails

Ab und an kommt es vor, dass auch eine E-Mail einen interessanten Aspekt enthält, den ich nicht im Posteingang liegen haben möchte, sondern später konsumieren möchte. Hierfür werde ich mir in Kürze noch ein etwas eleganteres Script schreiben oder ein bestehendes nutzen, welches IMAP-Ordner nach RSS transformiert. Das wandert dann, na klar, auch wieder nach TinyTiny RSS.

Fazit und abschließende Ratschläge

Zu leugnen, dass dieses Maß an Informationskonsum ein gewisses Level an Stress erzeugt wäre fahrlässig. Während die Menge abonnierter Quellen bei mir stieg, war ich gezwungen neue Mechanismen zu entwickeln um damit umzugehen:

  • Ignoriere die Angst, möglicherweise etwas zu verpassen, wenn du einen Feed nicht oder nicht schnell genug liest
    • das klingt leichter als gesagt als getan, denn jeder kennt dieses nagende Gefühl, wenn am Mail-Programm eine Notifikation für eine neue Mail vorhanden ist und man sich davon abhalten muss bei jeder neuen Mail das Mail-Programm zu öffnen
  • Mut zur Lücke
    • Du warst im Urlaub oder krank, hattest keine Zeit für oder keinen Bock auf den Feed-Reader? 300 neue News auf golem.de? Man wie anstrengend! Markiere einfach alles als gelesen. News sind flüchtig. Dir Stress zu machen nur um am Ball zu bleiben ist gefährlich und sinnlos. Also von 300 auf 0 ungelesene Feeds und weg ist das Gefühl.

Fünf Jahre Erfahrung mit diesem Modell zeigen mir, dass ich mich gut informiert fühle, wichtige und unwichtige Dinge in der Regel vor anderen kenne und insgesamt einen guten Weg gefunden habe mit unserer Informationsgesellschaft umzugehen.

Ich hoffe, dass in diesem Artikel der ein oder andere gute Ratschlag dabei war und würde mich über euer Feedback und natürlich auch über Kritik oder Verbesserungsvorschläge freuen.

Cheers, Thomas

Header-Bild von Jan Arendtsz, unter CC BY-ND 2.0, keine Modifikation vorgenommen.

4 Kommentare

  1. Danke für Deinen Beitrag! Ich mache es ein wenig anders. Habe 2009 zu twittern angefangen und folge inzwischen 749 Personen. Twitter ist meine Infoquelle Nummer eins. Daneben lese ich noch einige Blogs regelmäßig. Feedreader benutze ich gar nicht.

    Ein Problem beim Favorisieren von Tweets auf Twitter nervt mich: Wird ein recht alter Tweet retweetet und ich fave ihn, dann rutscht der Fav auch nach hinten, da die Favs in chronologischer Reihenfolge des Tweetdatums gespeichert werden und nicht nach dem Datum, an dem ich den Tweet setze. Ist mir schon passiert, dass ich einen Fav für später deshalb nicht mehr gefunden habe, da er zu weit „hinten“ war.

    Ansonsten folge ich inzwischen schon zu vielen Leuten. Hab mir zwar kürzlich eine Liste angelegt, aber es sind trotzdem zuviele. Meiner Erfahrung nach wars bei so 400 Leuten, dene ich folge ideal. Werde also wohl einige entfolgen müssen.

    Das Gefühl, etwas nach einem Urlaub oder so versäumt zu haben, habe ich zum Glück auch nicht. Ist die Neuigkeit relevant genug, wird sie mich trotzdem finden.

    lg
    CarFreiTag

  2. Hi CarFreiTag,

    gern, danke für das Feedback! Selbst 400 fänd‘ ich schon ziemlich viel, könnte ich garnicht alles lesen. Zu dem Problem mit dem Faven alter Sachen: In der Tat, leider läuft das auch über die API genau so, alte Dinge die gefavet werden landen auch im Feed-Reader weiter unten, da ich aber in der Regel deutlich unter hundert ungelesenen Artikeln bleibe, geht es üblicherweise Recht schnell das zu finden.

    Cheers
    Thomas

  3. Hey Thomas,
    wie sieht deine Bandcamp-Lösung genau aus? Kannst du über die RSS-Bridge deinen Bandcamp-Feed deiner gefolgten Artists auslesen oder „nur“ einzelne Artist-Feeds? Ersteres bräuchte ich dringend. Eine Schande übrigens, dass Bandcamp keinen Abo-Feed anbietet :/

    • Hi Peter,

      Bandcamp geht auch über RSS-Bridge bisher leider nicht so geil (gut möglich, dass ich da mal noch an der RSS-Bridge rumhacke). Aktuell kannst du über RSS-Bridge ausschließlich Tags abonnieren.

      Wenn ich dich richtig verstehe, möchtest du quasi alle Artists in einem Feed haben (eben die, denen du folgst). Das ist aktuell nicht möglich.

      Ich hatte deswegen bereits mehrfach dem Bandcamp-Support geschrieben, ob sie

      1. einen Feed für „Bandcamp-Weekly“ anbieten wollen
      2. für jeden Artist ([artist].bandcamp.com) einen Feed anbieten wollen.

      Beides steht nicht auf deren Agenda und offenbar ist es (warum auch immer) nicht in ihrem Interesse das einzuführen.

      Ich hab‘ mir die Bandcamp API bisher noch nicht angeschaut – mach ich vllt. demnächst mal.

      EDIT: offenbar bieten sie gar keine API mehr an, siehe: https://bandcamp.com/developer. Damit dürfte das „Gib mir meinen kompletten Stream als Feed“ komplett ausfallen. 🙁

      Cheers
      Thomas

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