Einst war es eine Männer-Domäne, nun mischen Frauen im Geschäft mit und zeigen, wie Pornos unsere Gesellschaft bereichern können.
Zwei interessante Frauen treffen sich und unterhalten sich über Pornos, Filme und Feminismus: Giada Armani, die Verlegerin erotischer Literatur, im Gespräch mit Manuela Kay, einer der Kuratorinnen des PornFilmFestivals und Herausgeberin der Siegessäule und des LMag.
Giada: Welche Art von Filmfestival ist das PornFilmFestival?
Manuela: Das PornFilmFestival ist für alle Leute, die sich für Sexualität interessieren. Wir haben viele BDSM-Sachen, Fetische, wir beschäftigen uns sehr mit Sexarbeit und ihren Perspektiven. Es ist total crossover.
Was uns sehr wichtig ist, ist die feministische Sicht. Wir schaffen jedes Jahr, dass die Hälften der Filme, die wir zeigen, von Frauen gedreht werden. Wir brechen mit dem Klischee, dass Frauen nur Objekte von Sexfilmen und allein Männer darauf abonniert sind, sich mit Sexualität zu beschäftigen.
Unser Fokus liegt auf Frauen. Das klappt auch sehr gut, da sich immer mehr Frauen mit Sexfilmen beschäftigen. Das schlägt sich auch im Publikum nieder, die Hälfte der Zuschauer sind Frauen. Uns ist sehr wichtig, dass Frauen einen sicheren Raum haben, in dem sie sich mit Sexualität auseinander setzen können, einen Raum, in dem keine Fragen, die gestellt werden, zu doof sind.
Das Schöne am PornFilmFestival ist, dass sich hier sehr verschiedene Gruppen von Leuten finden: im Kino sitzen Hetero-Frauen, Trans, Männer, Schwule, Lesben, Queer, Hetero-Männer.
Alle zusammen gucken sich zum Beispiel einen Schwulenporno an, und hinterher wird dann mit dem Regisseur oder der Regisseurin diskutiert. Das ist das tolle an diesem Festival. Man kann hier miteinander und ungeniert Sexualität angucken, die man sonst weder lebt noch kennt, man redet miteinander.
Giada: Was ist der Unterschied zwischen einem Porno, der von einer Frau und einem, der von einem Mann gedreht worden ist? Sex bleibt doch Sex, oder?
Manuela: Darum geht es nicht. Es geht darum, welche Perspektive eingenommen wird. Wie mit Geschlechterrollen umgegangen wird. Es gibt ganz klare Kriterien für feministische Pornographie, für Filme aus weiblicher Sicht.
Bei jedem Film schreiben wir dazu, dass dies ein Pornofilm aus weiblicher Sicht ist. Das heißt, dass Frauen viel stärker darin agieren. Bei Pornos ist es ja so, dass meistens der Mann den Sex initiiert; die Frau ist im schlimmsten Fall nur ein Loch. In unseren Filmen siehst du Frauen in Sprechrollen und nicht nur die Männer haben einen Orgasmus. Der Fokus ist nicht so sehr auf den weiblichen Körper. Es wird nicht nur aus der Sicht des Mannes gedreht, Frauen, die auf Männer stehen, wollen schließlich mehr vom nackten männlichen Körper sehen. Bei einem Mainstreamfilm, zum Beispiel, sieht man von dem Männerkörper relativ wenig, aber damit schließt man schwule Männer und Frauen aus.

Giada: Deswegen stehen viele Hetero-Frauen auf Schwulenpornos. Viele Frauen lieben Brokeback Mountain…
Manuela: Wir wollen Mainstreampornos nicht werten, aber wir zeigen sie bei dem Pornofilmfestival nicht. Die kannst du schließlich überall im Internet finden. Wir versuchen eine neue Sichtweise des Porno zu zeigen: unsere Filme haben Humor, Spielhandlung, und zeigen die Vielfalt des Sex-Akts. In diesem Jahr ist der Schwerpunkt Sex und Behinderung. Wir haben fünf Filme im Programm, die sich damit beschäftigen. Wie dürfen Behinderte nach den allgemeinen gesellschaftlichen Vorstellungen Sex haben? Kriegen sie überhaupt den Sex, den sie sich wünschen? Viele stoßen auf Ablehnung. Viele denken, dass Sex nicht zu diesen Menschen gehört. Wir brechen damit ein großes Tabu. Wir sind sehr gespannt, wie das Publikum reagieren wird. Solche Filme sieht man nicht alle Tage. Sie entsprechen nicht den gängigen Schönheitsnormen.
Giada: Möchtest du mit dem PornFilmFestival ein neues Sexbewusstsein erschaffen?
Manuela: Nicht nur Bewusstsein. Wir haben auch einen klaren Bildungsauftrag! Wir klären Leute auf, wir konfrontieren Menschen mit Themen, mit denen sie sich vielleicht nicht auskannten.
Giada: Müssen Erwachsene denn aufgeklärt werden?
Manuela: Ja, natürlich. Gerade über den Sex, den sie nicht haben. Heterosexuelle über den Sex von Schwulen und Lesben, oder wie dieses Jahr über den Sex von Behinderten.
Giada: Verstehe ich nicht, ist Aufklärung, zu wissen, was andere im Bett treiben? Wozu soll das gut sein? Oder ist der Sex von anderen so eine Art Spiegel, in dem man sich selbst reflektieren kann?
Manuela: Es geht darum, den eigenen Horizont zu erweitern. In den fünf Tagen zeigen wir nicht nur Filme, sondern wir bieten auch ein sehr ausgefülltes Programm: Workshops, Podiumsdiskussionen, eine Kunstausstellung, Performances, Vorträge, Buchpräsentationen. Wir haben insgesamt 7.000 Besucher.
Giada: Du redest von feministischer Pornografie. Ist das Wort Feminismus in unserem freien Europa zeitgemäß?
Manuela: Ja klar. Wir leben immer noch in einer patriarchalen Gesellschaft. Porno geht eigentlich gar nicht ohne Feminismus! Zum Ersten, weil Frauen schon als kleine Mädchen zu einer gewissen Sexlosigkeit erzogen werden. Und weil grundsätzlich die Erziehung von Frauen und Männern noch immer dahin gesteuert wird, dass Männer viel mehr Freiheit haben. Kleine Jungs dürfen frei ihren Bedürfnisse nachgehen, Mädchen werden mehr in die Schranken gewiesen. Jungs kriegen viel mehr, nicht nur an Aufmerksamkeit, sondern auch an unmittelbarer Bedürfnisbefriedigung, während Mädchen ruhig sein und verzichten lernen sollen. Frau kriegt ein Leben lang erzählt, was sie sich alles verkneifen kann, worauf sie alles verzichten soll, dass Sex nicht so wichtig ist. Man hört ständig, dass Männer triebgesteuert und Frauen vernünftig sind. Und das ist Bullshit!
Dass es Unterschiede zwischen Männer und Frauen gibt, sehe ich ein. Hormonell bedingt haben Männer vielleicht auch stärkere Triebe als Frauen, ich will das nicht bestreiten. Es gibt aber auch Frauen, die sehr starke sexuelle Triebe haben, vielleicht sogar stärkere Triebe, als die Männer. Den Standard-Mensch gibt es eben nicht.
Frauen den Raum zu geben, sexuell sein zu dürfen, ist ein feministischer Akt. Das heißt, den Frauen die Möglichkeit zu geben, versaut zu sein, unverschämt zu sein, offen zu sein, ausprobieren zu können, ohne dafür von einem männlichen Blick bewertet zu werden. Und es geht um mehr als nur Zuschauen: Es ist für mich ein feministischen Ansatz, dass nicht nur Männer mit Sex Geld verdienen können, sondern auch Frauen. Dass Frauen auch ganze Produktionsbedingungen bestimmen können, das macht den Unterschied. Wir werden alle von der PorNO-Bewegung in die kriminelle Ecke geworfen, in die gleiche wie Snuff Pornos, Kinderpornos, Menschenhandel, Zwangsprostitution. Dies sind alles Verbrechen, die nichts mit Pornografie und freier Sexarbeit zu tun haben. Jeder hat Mitleid mit verschleppten Frauen und Drogensüchtigen, die auf den Strich gehen müssen. Aber wir sprechen von Frauen, die selbstbestimmte Entscheidungen getroffen haben, unabhängig von Männern. Denn das ist für uns Feminismus. Und ich rede nicht nur von Sexarbeiterinnen, sondern auch von Filmproduzentinnen, Filmregisseurinnen oder Verlegerinnen. Wenn es um Sex geht, hatten Männer immer das Sagen und eine Definitionshoheit, die wir jetzt gerne abschaffen wollen.
Giada: Kann Pornografie die Sexualität eines Menschen beeinflussen?
Manuela: Ja, sowohl im Positiven, als auch im Negativen. Wir zeigen Sachen, die einige Menschen sich nicht einmal zu denken getraut haben, vielleicht nie gedacht haben, um dann inspiriert zu werden, was sie sexuell wirklich wollen. Wir zeigen sie auch, damit einige die Angst verlieren, bestimmte Gefühle zu haben. Einige Leute denken sich “Oh, es gibt ja sogar Filme darüber, ich bin also nicht alleine, ach so geht das… Ich traue mich auch mal… Wäre das was für mich?“
Es geht darum, sein eigenes sexuelles Profil zu schärfen und näher an die eigenen Bedürfnisse zu kommen. Besonders bei Frauen ist es ganz wichtig, die Scham zu verlieren.
Giada: Ist es angebracht, dass eine Ehefrau und Mutter plötzlich Pornos schaut, dass die “Schamtür“ geöffnet wird und plötzlich ganz andere sexuelle Bedürfnisse hoch kommen? So kann man ja auch Familien zerstören.
Manuela: So ist es im Leben, raus aus dem Gefängnis.
Giada: Für den einzelnen ist gut, aus dem Käfig zu kommen, aber was für Konsequenzen hat das für unsere Gesellschaft?
Manuela: Frauen ohne Käfig ist, wonach wir streben, oder? Wenn die Frauen freiwillig in den Käfig gehen und dir den Schlüssel in die Hand drücken, dann ist es geil!
Giada: Warum ist Berlin für das PornFilmFestival die perfekte Stadt?
Manuela: Kannst Du dir so ein Festival in Paderborn vorstellen? Ganz einfach, weil in Berlin solche Leute wie wir leben. Berlin ist zugleich die Hauptstadt, aber auch der Blinddarm von Deutschland. Eigentlich passt es nicht zum spießigen Rest. Ich glaube, dass alle Deutschen, die keine Lust auf diesen Mief haben, sich in Berlin verabreden.
……
Das PornFilmFestival findet in Berlin im Moviemento Kino statt, vom 21. bis zum 25. Oktober.
[…] Dann noch was für die Frauen, Intimrasur, stolpernde Pinguine, irgendwie sowas, kein Feminismus bitte. Aufgabe für nächste Woche: Ball flach halten, nicht in Richtung Regierung schießen, kennt […]
[…] Dieses Interview mit Giada und Manuela Kay erschien bei den Blogrebellen. […]
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