„Diese klassischen Beats sind einfach immer noch mein Ding“ – FloFilz im Interview

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Ich war noch nie in Aachen. Die Stadt stelle ich mir unspektakulär, aber schön vor. Ohne das böse zu meinen: FloFilz macht Musik, die zu seiner Heimatstadt passt. Er produziert raffinierte, atmosphärische HipHop-Beats mit starkem Jazz-Einfluss. Während viele seiner Kölner und Berliner Kollegen inzwischen in Disco, House, Trap oder Juke machen, bedient er auf seinem neuen Album „Cénario“ weiterhin die entspannte Nische: „Diese klassischen Beats sind einfach immer noch mein Ding.“

Dass FloFilz sich weiter auf einen inzwischen gerne als vorgestrig verrufenen Soundentwurf konzentriert, rechnen ihm seine Fans hoch an. Fast 50.000 Follower auf Soundcloud und gut besuchte DJ- und Live-Gigs in Berlin, Paris, Wien oder London sprechen eine klare Sprache: 80-BPM-Boombap auf Jazz-Sample-Basis trifft immer noch einen Nerv, wenn er gut gemacht ist. Und um fair zu bleiben: Auch sein Sound entwickelt sich permanent weiter, nur eben behutsam.

FloFilz
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Oliver „Olski“ von Felbert ist der Gründer des Kölner MPM-Labels, das vor 10 Jahren mit Platten von Hulk Hodn, Twit One, Suff Daddy und Dexter das instrumentale HipHop-Beat-Movement in Deutschland startete. „Ich habe auch ein bisschen gebraucht, um seine Sachen so richtig zu feiern“, gibt er zu. „Erst dachte ich, da packt halt mal wieder einer die jazzy Loops aus. Aber Flo hat aufgrund seiner klassischen Ausbildung eine Musikalität, die viele in seinem Bereich nicht haben. Das macht seine Beats schon anders, es verleiht ihnen eine andere Qualität.“

Aufgewachsen ist FloFilz in Bochum und Belgien als Kind zweier Berufsmusiker. Mit vier Jahren fing er bereits an, Geige zu spielen. Das Instrument hatte er im Fernsehen entdeckt. Am Abendbrottisch fing er an, Violine und Bogen mit Messer und Gabel zu imitieren. Seine Eltern ließen ihn Unterricht nehmen, und im Gegensatz zu vielen anderen Kindern hörte er nie damit auf. Nach dem Abitur ging Flo ins nahe Aachen, um an der dortigen Hochschule Musik zu studieren. Das Studium beendete er dieses Jahr mit dem Master. „Ich analysiere jetzt nicht ständig die Tonarten, wenn ich einen Beat baue“, nuschelt er bescheiden. „Aber es ist natürlich hilfreich, wenn man ein musikalisches Gehör hat.“

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Jazz war seine erste große Liebe, später kamen A Tribe Called Quest, Dilla und Madlib dazu. Doch es waren deutsche HipHop-Producer wie Hulk Hodn, Hubert Daviz und Dexter, die ihn etwa 2010 inspirierten, selbst Beats zu machen. Die „Jazz Files“ von Dexter, die auf seinem heutigen Label MPM erschienen war, mochte Flo so gerne, dass er sich Fruity Loops besorgte und mit eigenen Beat-Skizzen begann. Im Internet bekam er für seine Remixe klassischer HipHop-Tracks von Mic Geronimo, Slum Village oder Quasimoto schnell enorme Aufmerksamkeit. Seine Version des Tribe-Klassikers „1nce Again“ steckte nicht nur eine musikalische Referenz ab, sondern generierte auch fast eine Million Youtube-Plays.

2014 erschien sein Debütalbum mit dem Titel „Metronom“ bei MPM. „Der Kontakt kam über Robert Winter zustande, der die ganzen Fotos für die Hi-Hat Club LPs gemacht hatte. Ich wollte eigentlich nur Künstlerfotos von ihm haben, weil ich immer mehr Interview-Anfragen bekam. Robert hat meine Musik bei MPM ins Spiel gebracht, glaube ich.“ Außerdem übernahm Winter, der sich längst zum Go-To-Fotografen der hiesigen Beat-Szene entwickelt hatte, natürlich das geschmackvolle Artwork von „Metronom“, schoss die Pressefotos für das großformatige Foto-Booklet und drehte ein Video in Paris.

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Kurz darauf wurde Flo von Jakarta Records angesprochen, einem geistesverwandten Label mit Sitz in Köln und Berlin, ob er nicht eine EP mit dem kalifornischen Rapper Blu machen wolle. Weil Blu noch seinen Kumpel Coss anschleppte und auch Juju Rogers und Ivan Ave aus dem Jakarta-Roster auf die Beats von Flo rappen wollten, wurde aus der geplanten EP das Album „Speakthru“. „Das hat sich alles ergeben“, sagt FloFilz lakonisch. „Ich bin bei neuem Rap nicht so dahinter, mir gefallen Blu und Ivan Ave, oder auch Joey Bada$$ und Oddisee. Im Deutschrap höre ich eigentlich nur Retrogott und Eloquent, mit dem ich auch mal eine EP gemacht habe. Ansonsten bin ich eher in meiner Welt unterwegs.“

FloFilz - Cenário (Cover)
FloFilz – Cenário (Cover)

Was das konkret bedeutet, zeigt das neue Album „Cénario“ recht deutlich. Die abgehangenen, rumpeligen Drums kontrastieren mit melodiösen Saxofon- und Klavier-Samples wie in den besten Kompositionen von Pete Rock oder Q-Tip. Bei zwei Songs singt die Jazzsängerin Olivia Wendlandt von der Osnabrücker Fusion-Band Relaèn. Im Intro des Tracks „Bairro Alto“ spielt FloFilz zum ersten Mal auf einem seiner HipHop-Tracks auch Geige. Seine charakteristischen Drums entstehen mal auf der analogen MPC, mal digital am Rechner: „MPD oder MPC klingen einfach viel organischer, aber ich bekomme den Swing auch am PC rein, oder ich nehme gleich komplette Drumbreaks als Loop — das passt manchmal einfach gut zum Sample.“

FloFilz
FloFilz

Mit der visuellen Umsetzung von „Cénario“ setzt FloFilz das Metropolenkonzept fort, das mit „Metronom“ in Paris begann. „Die Platte war ja bereits fertig gewesen, als wir für die Fotos und Videos nach Frankreich flogen“, erzählt Olski. „‚Cénario hingegen stand erst zur Hälfte, als wir im März dieses Jahres in Lissabon waren. Von daher hat die Stadt diesmal viel stärker noch den Sound der Platte beeinflusst.“ FloFilz, Olski und Robert Winter genossen in der portugiesischen Hauptstadt vor allem das lokale Essen und durchforsteten die Second-Hand-Plattenläden nach raren Bossa-Scheiben. Auch der abgeblätterte, leicht heruntergekommene Charme der Innenstadt wirkte sich auf den Klang des Albums aus.

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Das neue Video zu „Taxi Bossa“ wurde bezeichnenderweise in dem Youtube-Kanal chillhop hochgeladen, der letztlich auch als leicht hängengebliebene 90er-Jahre-Genre-Bezeichnung für die Musik von FloFilz funktioniert. Dabei verschließt sich FloFilz gar nicht mal bewusst anderen Strömungen. „Ich habe auch schon in Richtung House experimentiert“, sagt er. „Vielleicht erscheinen ein paar dieser Tracks sogar bald über Closer, das Label von Moomin aus Berlin.“ Trendversessene Beat-Nerds könnten „Cénario“ dennoch als zu unaufgeregt empfinden. Wenn man etwas für unprätentiöse, organische HipHop-Beats übrig hat, wird es jedoch derzeit nicht viel besser.

„Bei den Produzenten, die ihre eigene Handschrift gefunden haben, erkennt man die Persönlichkeit in ihrer Musik“, bringt es Olski auf den Punkt. „FloFilz ist ein sehr trockener, beinahe pragmatischer Typ — und das spiegelt auch seine Musik.“ „Cénario“ mag nicht den neuesten Hybriden aus der globalen Bass-Blase repräsentieren, aber dafür ist es ein Album für den Alltag und die Auszeit davon, für den Spätsommer und seine Sonnenuntergänge, für die Regeneration und fürs Reisen. Es ist ein wunderschönes, ja: ein besonderes Album. Ich mag es sehr.

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