Als Hustensaft Jüngling vor einem Monat mal wieder einen Video-Vorboten für sein Debutalbum „Trap Gott“ droppt, bin ich gar nicht so komplett angeödet: „Traurig“ war und ist ein OKer Track. Der Jüngling und Medikamenten Manfred treffen halbwegs den Takt, der Song wird durchgängig von einem (zwar nicht sehr komplexen, aber irgendwie lustigen) Konzept getragen und sogar der Beat geht klar.
Es ist wohl dieser Track, der mir das Hirngespinst injiziert, das ich Peter viel zu unüberlegt sofort vorschlage: das Album am Erscheinungstag zu reviewen – so nach dem im Titel dieses Artikels angedeuteten Motto: Denn ganz verblendet war ich ja nicht. Natürlich würde das Album kein Meilenstein der Rapgeschichte werden. Von 50 Hustensaft-Tracks, die ich bis jetzt gehört habe, hat mir nur einer keine Psychosen beschert: Traurig. Im doppelten Sinne. Lustige Artikelidee, dachte ich mir.
Und heute ist das Ding dann auch erschienen. Happy release day Hustensaft Jüngling. Well…kind of. Um das Review-Versprechen direkt mal zu brechen. Sorry, ich hab’s nicht geschafft, mir das Album komplett reinzuziehen. Die billigen Beats in Kombination mit Hustensaft Jünglings spätpubertäerer Trotzphasen-Stimme sind kaum auszuhalten. Derartige Beats mit Gucci Mane? OK, hör‘ ich mir gerne mal an. Derartig schwache Flows und leidenchaftslose Performance auf einem bockstarken Trap Beat von Young Metro? Auch das kann man sich schon mal reinziehen. Aber Minus plus Minus bleibt halt in diesem Fall einfach Minus.
So. Und wo wir schon dabei sind. Ich versuch‘ mal kurz zu erklären, warum ich denke, dass es einen Unterschied zwischen Taktlo$$ gibt, den wir damals mit 16 feierten, und Hustensaft Jüngling, zu dessen Konzerten heuer reihenweise mit Fischerhüten geschmückte Jugendliche strömen und Zeile für Zeile mit“rappen“.
Taktis Flows und Reime waren oft grenzwertig. Die Aussagen in seinen Texten waren gerne rassistisch, sexistisch und auch sonst recht -istisch. Ebenso bei Young Hustensaft. Als alter frustrierter Mann stößt mir zwar die Vergewaltigungsverharmlosung beim „Trap Gott“ weit unangenehmer auf. Allerdings gibt es da so manche Takti- und auch Savas-Klassiker, bei denen z.B. weibliche Geschlechtsorgane durch Koitus zu Kotlette verarbeitet (Pimplegionär, direkt zu Beginn) werden.
Allerdings hatte man weder bei Taktloss, noch bei MOR oder dem frühen Savas jemals das Gefühl, dass das alles auch nur halbwegs ernst gemeint wäre. Dazu trugen die damals noch spärlich gesäten Videozeugnisse unserer damaligen Idole bei. Taktlo$$ als Poetry Slammer Slash Rapper Slash Comedian Slash Kumpeltyp bei Falk auf Viva Zwei, Taktlo$$ und Jack Orsen als die lustigen Hänger vom Bolzplatz nebenan.
Die viel zu zahlreichen VLOGs der Generation-Youtube-Rapper aus dem Glo Up Dinero Gang Umfeld wiederum sind die verlängerten Grabsch-Arme des grausigen musikalischen Outputs. Vereinzelt Ironie, ja. Aber in Sachen Drogen-Omnipräsenz, Marken-Fetisch und Frauen- und Menschenfeindlichkeit stehen die VLOGs der Musik in nichts nach. Auch in Videointerviews gibt es kaum Menschen (und da beziehe ich die derzeit im Rampenlicht stehenden Politik-Despoten mit ein), die noch unsympathischer, unreflektierter und verblendeter wirken, als der Typ. Und genau daher rührt meine Verachtung für Hustensaft Jünglings Antikunst – wie gesagt: Abgesehen von „Traurig“. Traurig.
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richtiger loser der schreiberling 🙁
Ich bin traurig.
„Allerdings hatte man weder bei Taktloss, noch bei MOR oder dem frühen Savas jemals das Gefühl, dass das alles auch nur halbwegs ernst gemeint wäre.“
Qué?
Erklär mal ernst meinen.
Bei Takti, Jack Orsen, Savas etc hat sich das Verhalten nicht mit den Aussagen in den Lyrics gedeckt. Es ist beispielsweise nicht bekannt, dass Taktloss tatsächlich „frische Nutten aus dem Thai-Konsulat“ geordert hat oder er irgendwelche MCs umgebracht hat, wovon er in seinen Texten extrem häufig spricht.
Bei Hustensaft Jüngling, M Beezy und Co ist eine größere Deckung da. Auf Twitter, FB, VLOGs und Snapchat legt der Jüngling teils so ein abartig asoziales (im Sinne von nicht soziales) Verhalten an den Tag, das mir oft richtig Angst und Bange wird. Wo andere Kunst als Kunst verstehen, scheinen sich die GUDG Interpreten in einer dystopischen Illusion verloren zu haben, die sie sich in ihren eigenen Texten vorgegaukelt haben. Der Kolben wird reingebuttert, das Lean wird gesippt, Frauen werden wie Menschen zweiter Wahl behandelt und in Läden, Tankstellen, Flughäfen etc wird sich einfach nur fürs Entertainment daneben benommen.
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