Gänsehaut, heftiges Kopfnicken, Repeat bis die Ohren pulsieren. So kann man meinen Staus ab dem Zeitpunkt beschreiben, nachdem ich das erste mal Fantasma Gorias “Klartext 03” hörte. Das war Mitte Januar, kurz nachdem Falk Schacht einen Tweet raus haute, in dem er seine Neuentdeckung mit seinen Followern teilte.
Bis dato wusste ich nichts von der Hamburgerin mit dem traumhaften, ganz eigenen Flow – irgendwo zwischen Missy Elliot und Róisín Murphy. Schön durchgeknallt im positiven Sinne, anders, super geil. Auch im Netz war und ist auch heute noch nicht viel über sie zu finden.
Nun, fast ein dreiviertel Jahr später, veröffentlicht Fantasma Goria ihr selbstbetiteltes Debütalbum. Es war mir ein großer Wunsch mehr von der Dame zu erfahren und so arrangierte ich vergangene Woche ein Skype-Interview mit der sympathischen Neuentdeckung.
Fantasma Goria im Interview
Wo kommst du eigentlich so plötzlich her?
Ich habe viel gebastelt, geformt und sortiert und dann dachte ich, es ist an der Zeit, dass es raus muss. Ich konnte gar nicht mehr anders, die Stimme in mir war so laut, dass es raus musste. Deswegen kam das für einige wahrscheinlich sehr plötzlich, doch in mir brodelte es schon sehr lange.
Produzierst du deine Musik selbst oder hast du Produzenten im Hintergrund?
Ich habe mehrere Facetten und Persönlichkeiten, Bitch Bizarr, Madame Royal, Fantasia selbst – wir sind ein sehr gut eingespieltes Team und inspirieren uns gegenseitig, probieren viel aus und so gibt jeder seinen Teil dazu.
So richtig rückst du meiner Meinung nach aber jetzt nicht damit raus, oder täusche ich mich?
Das bin schon alles ich.
Musikalisch hast du auf deinem Album schon sehr viele Genres abgedeckt, ich höre Dub, natürlich klassisch Rap, fette Soul-Stücke und auch Funk. Das ist schon ein musikalischer Rundumschlag bei dem ich sage, da gehört schon einiges dazu um so etwas produzieren zu können.
Ich habe viele, viele, viele Einflüsse und es gibt auch sehr viel was mich hellauf begeistert, auch wenn es im weitesten Sinne natürlich Rap ist. Was allerdings auch ein bisschen die Problematik war, weil sich viele fragen, was ist das eigentlich. Ist das Rap, ist das Pop, isses Ragga? Es ist gleichzeitig ein Fluch und ein Segen. Ich bin nicht nur durch Rap beeinflusst, sondern auch Funk war schon früh ein großes Thema.

In irgendeinem Song sagst du auch, dass dein Vater Saxophone spielt. Du kommst aus einer musikalischen Familie?
Ja, mein Vater ist Jazz-Saxophonist und auch das beeinflusste mich natürlich. Mutter hat auch viel gesungen, ebenso wie meine Großeltern. Es zieht sich so durch und irgendwie ist es in meinem Kopf gelandet und jetzt muss ich das alles kombinieren und raus hauen.
Ich habe gelesen, dass du einige Zeit in den Staaten gelebt hast, ist das richtig?
Ja, ich bin dort zu Schule gegangen und war auch später, nach der Schule, noch mal in New York. Dort habe ich gejobbt, den Vibe absorbiert, war auf den Spuren der Musiker unterwegs und lies mich inspirieren. Und das hat natürlich die Liebe zum Hip-Hop nochmal verstärkt und das, was ich am so Rap liebe, gefestigt.
Wikipedia erklärt den Begriff „Fantasma Goria“ mit der Darstellung von Trugbildern vor einem Publikum und die zufällige Folge von assoziierten Bildern zum Beispiel in Träumen. Bist du der personifizierte Fiebertraum des deutschen Raps?
Das würde ich sagen trifft es ziemlich gut auf den Punkt. Wenn du schon einmal Fieber hattest weisst du ganz genau wie es ist, wenn du träumst und es sich mit dem, was um dich herum passiert, vermischt. Du kannst es nicht genau greifen, dann aber wieder doch. Im Fieber merkt man wie der Wahn und die Realität zusammen gehen. Diese „Fantasma Gorie“ trifft es genau auf den Punkt, weil ich selber manchmal nicht genau weiß, wenn eine Emotion kommt, woher sie genau kommt. Ist sie nun begründet realistisch oder ist sie nur ein komischer Gedanke? Deshalb bringt es perfekt zum Ausdruck was ich bin.

Damit polarisiert du meiner Meinung nach auch ganz gut. Dieses etwas an dir, das die einen extrem geil finden und die anderen nicht. Das ist dir aber bewusst, dass du mit deinem Style, deiner Vielseitigkeit polarisiert?
Gute Kunst hat immer polarisiert, immer.
Wie viel von deiner Person steckt in Fantasma Goria? Ist das eine Kunstfigur oder steckt da viel von dir persönlich drin?
Es ist eine Kunstfigur, aber ich fülle sie komplett mit meiner Seele. Ich glaube nicht daran, dass man etwas komplett spielen kann. Man ist es, oder man ist es nicht. Meine Erfahrung, meine Träume meine Wünsche meine Ängste meine Nöte – all das spiegelt sich in Fantasma wider. Deshalb liebe ich es auch, dass sie so viele Seiten hat. Das eine Madame Royal ganz anders auf Dinge blickt, als eine Bitch Bizarr. Sie helfen sich auch gegenseitig das Leben zu verstehen. Für mich ist das auch Therapie.
Also kann man davon ausgehen, dass die Geschichten, die du in deinen Lyrics erzählst nicht nur fiktiv sind?
Hier greift definitiv das Prinzip „Fantasma Goria“, eine Mischung aus Realität und Dichtung. Ich kann auf jeden Fall sagen, dass ein sehr großer Teil Realität ist!
Verrätst du mir was der „Bonig“ ist?
Ich höre so viele wunder, wunderschöne Geschichten und Meinungen zum Bonig, das es tatsächlich tragisch wäre, wenn ich verrate, was ich mit dem Bonig meine.
Ich höre ja bei vielen Songs und gerade beim Bonig einen Marsimoto heraus.
Beim Bonig ist das auch ein klarer Bezug auf Marsi. Das liegt daran, dass ich Marsimoto für einen großartigen Lyriker halte. Seine Wortmalerei ist unfassbar. Wie präzise und bedacht er die Worte wählt und die Bilder, die er damit malt werden sind wundervoll und mir blieb nichts anderes übrig, als eine Hommage dazu zu schreiben. Der Bonig kam natürlich aus mir, aber Einflüsse, die ich von Marsimoto habe, den ich jahrelang im Geiste verfolgt habe, sind da ganz eindeutig mit eingeflossen.
„Fantasma Goria“ ist dein Debüt-Album, was können wir im Anschluss erwarten, was steht an?
Mit dem Album einher kommen Konzerte, eine Tour ist in Planung. Und ich bin natürlich ständig im Studio. Es bleibt nicht bei dem Debüt, versprochen.
Was möchtest du unseren Lesern noch mitgeben?
Was mir ein wichtiges Statement ist: *singt* „wahnsinnig normal“.
Es ist alles wahnsinnig normal und man sollte auf jeden Fall das machen, was man für richtig hält! Immer. Und sich nicht davon beeindrucken lassen, was als wahnsinnig oder normal bezeichnet wird. Es ist mir eine so wichtige Message, weil ich durch diesen Prozess gegangen bin und heute froh bin, das ich da bin wo ich bin und ich wünsche mir, dass das noch viel mehr Menschen für sich begreifen können.
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