Robbie Chater & Tony Di Biasi a.k.a. The Avalanches (c) 2020 Grant Spanier

Nur eklektisch vorzugehen, dürfte den australischen Avalanches nicht reichen. Maximal Retro soll es auf ihrer neuen dritten Platte, der dritten in 23 Jahren, wohl auch werden. Als Vorab-Signale kursieren bereits sechs Tracks, von denen der neueste Streich, „Music Makes Me High“ wie eine Art Daft Punk in ‚dirty‘ klingt. Verwaschen startet der Sound mit Geräusch-Atmo, Lachen auf einer Party womöglich.

Einer Prä-Corona-Party, denn leitet man aus dem Höreindruck ab, wie weit die Leute auseinanderstehen, sind das weniger als zwei Meter. Die Atmo-Schnippsel verschwinden während der ausgelassenen Nummer auch nicht, sondern werden mal präsenter, mal mehr in die Distanz gemischt.

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Psychedelische Ausbuchtungen in MGMT-Stile (z.B. 1‘23‘‘ bis 1‘28‘‘) und stetige zarte Trompeten-Samples erzeugen eine wabernde Halb-Schlaf-halb-wach-Stimmung. Während der Text zur Nebensache wird, findet er irgendwie immer statt: mal verzerrt, mal zur Unkenntlichkeit in Slow-Motion gelayert, mal als Persiflage auf die einsetzende Drogenwirkung. Denn Musik macht high, meint das Stück ja.

Geräusch-Spielereien und surreale Passagen mit überraschenden Instrument-Kreuzungen kennzeichneten schon früher das Werk des Electro-Projekts aus Melbourne. Da wären etwa der „Frontier Psychiatrist“ und „Since I Left You“ (2001) und die phänomenale Rassismus-Satire „Because I’m Me“ (2016).

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Doo-Wop, Calypso, Beatles- und Bee Gees-Songs – vor The Avalanches ist nichts sicher, wenn es nur ordentlich Patina angesetzt hat. Die 50er, 60er, 70er sampeln sie durch, vielfach mit Ausgrabungen völlig vergessener Momente der Musik- oder gar Filmgeschichte. Da rutschten auf den beiden früheren Alben „Wildflower“ (zweite CD) und „Since I Left You“ (Debüt) mal The Isley Brothers bei den Avalanches in die Zitatmaschine, dann wieder der Comedian Jerry Lewis. Eine besondere Stärke scheinen die beiden Frontleute Robbie Chater und Tony Di Biasi bei Deep Soul zu haben.

So könnte ihr dritter Longplayer „We Will Always Love You“ eine Bestandsaufnahme dessen werden, was man heute unter Soul versteht oder auch was aus den Soul-Wurzeln im kollektiven Gedächtnis verblasst ist. The Avalanches werden es wieder wachrufen.

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The Avalanches feat. Sananda Mitreya & Vashti Bunyan – Reflecting Light – Vorab-Single aus „We Will Always Love You“

Unter den zahllosen Featuring-Gästen befinden sich Sananda Mitreya (einst ‚Terence Trent D’Arby‘) und der englische R’n’B-Cellist und Funk-Producer Blood Orange. Da die Arbeitsweise der Avalanches gut zu Trip Hop passt, überraschen auch die Kollabos mit Neneh Cherry und Tricky kaum.


Außer Psychedelic, Disco & Soul auch verträumter Hip Hop

Auf einer anderen neuen Single, dem angejazzten „Take Care In Your Dreaming“ treten nun auch Rapper Denzel Curry und die botswanisch-sambische Wahl-Australierin Sampa The Great neben Tricky auf. Sampa The Great hatte vor genau einem Jahr ihr Debütalbum auf Ninja Tune veröffentlicht, verträumt-crémigen Conscious-Hip Hop mit Substanz. „Take Care In Your Dreaming“ ist eine dieser Singles, die gerne länger als 3‘33‘‘ dauern dürften und schnell süchtig machen. Am 11. Dezember 2020 folgt das Album von The Avalanches bei Modular Recordings, im Vertrieb von Universal.

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1 Kommentar

  1. […] The Avalanches vereinen in ihrem Namen gleich mehrere schwere Stürme. Verschneit wirken die Sounds auf „We Will Always Love You“ in der Tat auch, aber eher rieseln die melodiösen und gerappten Anteile friedlich, als dass hier etwas stürmen würde. Auch ruhige Non-Chalance ist ein Merkmal dieser australischen Platte. Und doch: Die Kunst liegt im Aufprall verschiedenster Ausdruckstechniken und Stile der Popmusik: Elektronik, Alternative Rock, Soul und HipHop inbegriffen. Im Jahre 2001 fielen die Avalanches schon einmal auf, mit dem verträumten Song „Since I Left You“. Damals ließen sie sich noch dem Trip Hop und Drum’n’Bass zuordnen, einer Sammelkategorie für alles, was im Plattenladen seinerzeit sonst kein eigenes Fach hatte. […]

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