Bruce Hornsby – Non-Secure Connection | ART POP & Indie #9

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Genre: Jazzrock, auch: Americana, Art Pop, Fusion, Indie-Rock, Konzeptkunst, Singer/Songwriter, Soundtrack-Style
Label: Zappo/Thirty Tigers/Membran

Nun zu einem alten Bekannten, der sich in scheinbar fremde Gefilde wagt. Bruce Hornsby, geboren am 23.11.1954, kennen viele Radiohörer*innen durch seinen Hit „The Way It Is“. Das charakteristische Klavierspiel aus jenen Jahren mit seiner Band The Range setzt der Künstler immer wieder mal ein, so auch hier im absurd-komischen „Porn Hour“. Speziell der schnelle Abschlusstrack „No Limits“ ist extrem durch die Piano-Synkopen-Schläge getrieben. So viel Tempo würde man sich in der ersten Hälfte auch wünschen – ich mir zumindest. Die A-Seite der LP verläuft schläfrig, gemächlich, schunkelig, um nicht zu sagen in Slow Motion, wie im Titelsong. Mehr passiert in der zweiten Hälfte.

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„Non-Secure Connection“, darin steckt eine Anspielung aufs Internet. In „Porn Hour“ drängt sich dieses textliche Thema deutlicher auf, wenn eine e-Commerce-Kundin vom Sockenkauf flink bei Porno-DVDs landet. Für Ironie war Hornsby immer zu haben, hier setzt er sie auch stimmlich so schön um, dass nicht nur Muttersprachler*innen etwas davon haben.

In einer anderen Nummer namens „Shit’s Crazy Out There“ verblüfft er damit, die übliche Wendung happy (…) sad“ und den nahe liegenden Reim „sad“ auf „bad“ zu unterlaufen. Stattdessen textet er „I’m good and then I’m bad / I’m happy and then I’m mad“. Im Timbre erinnert Hornsby dabei an John Lennon im Beatles-Song „Across the Universe”.

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Überhaupt singt er markant und großartig. Schwierig, mancher Kritik zu folgen: Der Amazon.de-„Top 500-Rezensent“ A.N.O.N.Y.M. stört am „geknödelten a-tonalen Sprechgesang bzw. unsäglichen Gejohle“, ein anderer Kunde bemängelt Hornsby habe sich von „melodic to robotic“ entwickelt. Seine Texte hätten von „thought provoking to word salads“ (provokativ gedacht zu Wortsalat) verschlechtert. 

Wie Steely Dan, aber arhythmisch und space’ig

Doch, ja, zumindest a-rhythmisch wirkt der Gesang wirklich manchmal, wenn er in manchem Song künstlich gedrosselt scheint. Sprechgesang: Fehlanzeige. Auch Melodiereichtum lässt sich der Platte zuerkennen. Dass die Lyrics mitunter Gedankensprünge enthalten, trifft ein bisschen zu. Im Gegensatz zur oben besprochenen Sophie Hunger-Scheibe ergeben Hornsbys Texte aber auf Anhieb Sinn.

Wer Steely Dan grundsätzlich innovativ, aber zu glatt fand, könnte an „No Limits“ und „Bright Star Cast (feat. Jamila Woods & Vernon Reid)“ Freude finden. Der sportliche Jazzrock mit frechen Blues-Akzenten und electropoppigen Beat-Schüben bereichert auf jeden Fall die Musikszene des Jahres 2020. Falsettgesang gelingt in „Bright Star Cast“ ebenso wie das Einbinden von 70er-Jahre-Fusion-Stil am Bass und die Integration der souligen Jamila Woods. Die Zawinul’sche Grundstimmung hebt die Nummer in space’ige Gefilde.

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Trotz aller Stilflexibilität wurde Hornsby im Kern als Americana-Act bekannt. In „Anything Can Happen (feat. Leon Russell)“ lässt er diese Seite zumindest ein bisschen raushängen. Dass die Platte insgesamt viel mehr Resonanz erfuhr als das Vorgängeralbum 2019, mag zwei Gründe haben: Das Sommerloch war ein guter Zeitpunkt (die neue Platte erschien am 14. August 2020).

Connections von Jamila Woods bis Jerry Garcia

Jamila Woods macht mit, Rob Moose von Bon Iver, Vernon Reid von Living Colour, James Mercer von The Shins/Broken Bells, obendrein gibt es die posthume Veröffentlichung einer Demo-Spur von Leon Russell, mehrere Ko-Produzenten von Tony Berg bis Wayne Pooley und ein Riesenaufgebot an Gast-Instrumentalisten.

Wem jetzt sämtliche Namen nichts bedeuten, der wird die Begeisterung überschwänglicher Rezensenten in Print- und Onlinemedien kaum teilen können. Denn soooo bahnbrechend ist Hornsbys Platte nun auch wieder nicht. Sie ist interessant. Und polarisiert.

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Klassiker aus dem Jahr 1986.

Fans, die den Sänger aus Virginia bisher schon verehrten, spaltet das Album: „kompllett anders wie gewohnt, also vorher unbedingt anhören !“, schreibt der Käufer ‚Anonym‘ auf jpc.de. Seiner Grammatik, Rechtschreibung und Zeichensetzung mag man nicht zustimmen, inhaltlich hat er wohl Recht. Denn die Platte hat selbst dann noch etwas Ungewohntes, wenn man den Jazz-Pop auf „Absolute Zero“ 2019 verinnerlicht hat. „Vielleicht dem Bruce aus alten Tagen am nächsten“, „perhaps closest to the Bruce of old“, meint dagegen Moving target auf amazon.de.

Streichersätze wie aus Filmmusik

Seit den alten Zeiten trat der Singer/Songwriter zehn Mal bei der Arbeit von Filmmusiken in Erscheinung. Davon komponierte er sechs Mal alleine welche, Soundtracks für Spike Lee. Diese „cinematoskopische“ Seite des Komponierens macht sich bemerkbar: Oft finden sich Streichersätze auf dem Studioalbum, die sehr nach Movie Score klingen.

Letztes Namedropping, weil es in anderen Medien nicht oder falsch steht: Bruce Hornsby half zwischen 1990 und 92 bei Grateful Dead aus, nachdem Keyboarder Brent Mydland das Zeitliche segnete. Zu hören auf manchen Live-Mitschnitten. Spielte also doch tatsächlich an der Seite von Jerry Garcia.

Anspieltipps: „No Limits“, plus Videos oben

ART POP & Indie – Die Serie

Warum eine Serie? Nun, die meisten Namen in dieser Serie ziehen im deutschsprachigen Raum nicht allzu viel Aufmerksamkeit an. Sollen die Artists also einander gegenseitig pushen, indem wir sie miteinander verbinden. Hier findet ihr Releases aus dem Zeitraum August 2020 bis Januar 2021, die im weitesten Sinne mit Art Pop und meist auch mit Indie-Labels zu tun haben. 
Auswahlkriterium: Nicht klassifizierbar. Innerhalb des Indie-Rocks keiner größeren Strömung (also keinem New Wave, Synthie, Folk, Psychedelic, Kraut, Indie-Soul usw.) zuzuordnen. Nischenmusik zwischen allen Stühlen. Mit Instrumenten, Vision und Wagemut.
Hier findet ihr alle Artikel der Serie!

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