Zu Beginn der Hip Hop-Historie zählen Frauen ganz selbstverständlich zur Culture. Wie im Dancehall und Raggamuffin, setzen sie in den 80er Jahren einige entscheidende Impulse. Heute verkennt man das oft. Eine neue Radiosendung zoomt auf das Thema.

Männliche Newcomer 2020 scheren sich in der Regel nicht um dieses Erbe aus Prä-Laptop-Zeiten. Auch weiblichen Durchstarterinnen fehlt oft diese und überhaupt jede Perspektive: Während sie sich durch Autotuning-Spuren zu quälen scheinen, wirken die Role Models und ihre Pionier(innen)-Leistungen weit weg. Jede*r kann wohl heute rappen, toasten, sing-jayen, ein File up-loaden. Doch setzen sich fast nur diejenigen durch, die Trap-Hi-Hats unter sich scheppern lassen und ein Major-Label im Rücken haben. Megan Thee Stallion ist mit ihren Mixtapes, immerhin in den Billboard-Top Ten, eine der Frauen der Stunde, und macht, was die Männer sowieso schon alle tun.

Das war in den Achtzigern doch anders. „Black women as loud and assertive“, „Dunkelhäutige Frauen als laut und durchsetzungsstark“, so erinnert sich die Rapperin Sa-Roc an die Heldinnen ihrer Kindheit.

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Rico Nasty kommt (zumindest in terms of energy level) wohl heute am ehesten diesem Ideal nahe, das Roxanne Shanté und Salt’n’Pepa, aber auch Heerscharen weiblicher MCs damals vorlebten: Als MC nicht nur für Master of Ceremony, sondern auch für das Format MusiCassette stand. Und als Mixtape derweil einen Tonträger, die Kassette, meinte. Auf Tonträger schafften es wirklich nur wenige. Das ist bis heute so. Denn das Gros der Veröffentlichungen umfasst EPs, besagte (digitale) Mixtapes, Features (bei anderen Acts) bis zum Umfallen – und MP3-Singles. Dass das Format Album heute nicht in Mode sei, wird da gerne als Ausrede genutzt, um bloß keines abliefern zu müssen.

Dabei positionierten sich gerade Hip Hop-Alben oft als zeitlose Artefakte, reich an kunstvoller Dramaturgie. Mit aufwändigen Intro-Klangcollagen, Skit-Interludes und abwechslungsreichen Achterbahnfahrten durch die Rap-getränkten Subgenres von Battle-Rap über Boombap, Jazz-Rap bis R’n’B, Spoken Word Poetry, Acapella-Freestyles und Scratch-Feuerwerke.

In den 90ern entlädt sich ein mitreißender Strom an solchen Alben von Female MCs über New York, später auch Chicago und Los Angeles. Und es gibt gemischte Gruppen. Während in Atlanta der Kollege Speech nicht auf weiblichen Beistand für seine Arrested Development verzichten will, kümmern sich in Cleveland bei der Bone Thuggs’n’Harmony Frauen um Tontechnik und Lizenzrechte. Die Digable Planets hatten bereits vorgemacht, dass man es mit dem Konzept „Frau am Mic“ gar bis zum Grammy schaffen kann. Frauen sind nicht nur gern gesehene Gäste, wenn sie bei Ice Cube oder Snoop Dogg mal ein Feature machen. Sie reifen von dort auch immer wieder rasch zu Solistinnen mit eigenen Debütalben. Alben. Da ist es wieder, das A-Wort.

Vielen wird dann aber doch nur ein einziges zuteil. Das liegt manchmal am nicht so überwältigenden Talent … aber nur manchmal. Viele Karrieren beenden sich auch, weil die Plattenfirmen an Budget-Grenzen stoßen. Bevor sie Anfang der 2000er-Jahre oft das Zeitliche im Handelsregister segnen. Labels wie MCA, Jive, EastWest, Elektra usw., die Hip Hop gefördert und gut verkauft haben, werden zerschlagen oder verkauft und ordnen sich großen Major-Häusern unter. So auch DefJam!

DefJam hatte eine First Lady

Dort trägt Nikki D den sagenumwobenen Titel „First Lady at Def Jam Records“, wie ein männlicher MC sie in einem ihrer ersten (und dann auch letzten) Stücke anpreist. Es ist nicht eine Babypause, die ihren Karriereknick bedeutet. Denn sie reist mit kleinem Kind schon vor Erscheinen ihres einzigen Albums herum. Es sind eher die Strukturen des Marktes, die dann doch für ein schnelles Aus bei ihr und bei vielen sorgen – ein schnelleres als es fair wäre. Nikki D eröffnet die Serie „Female Rap Flow“ beim Nürnberger Lokalsender Radio Z am 29. Dezember 2020.

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Eine Collage fasst in der Sendereihe spannende (Hook-)Lines zusammen. Ein historischer Abriss führt ins Thema und die frühen Heroinnen ein. Seitenblicke auf heutige Newcomerinnen und Hip Hop jenseits der USA in der globalen Szene bereichern hier und da das Bild, aber dann soll es ab Folge Zwei vor allem um zwei Dinge gehen: 1. Tiefgehende Interviews und 2. vergessene Werke von Meisterinnen ihres Fachs, mit Track-by-Track-Kommentar, beides mit ausführlichen Übersetzungen ins Deutsche.

Geschichtsbewusstsein versus Watchlist

„Female Rap Flow“ ist dabei zwar eine deutsch(sprachig)e Sendung. Sie ist aber (wie ihr Autor) nicht deutsch-zentriert. Deutsch-Rap wird da lediglich ein Gastspiel haben. Während unser Postfach überquillt mit Newcomerinnen, die wir angeblich auf unsere Watchlist 2021 (wie Mulatto im Artikel-Foto) zu setzen haben und die voll krass das Rennen machen werden, bleibt das Magazin realistisch und versucht zu erklären, warum sie es eben nicht machen werden. Seitenhiebe auf große Medien inbegriffen.

Sendetermine:

29. Dezember 2020, 18:50-20:00 Uhr (Wiederholung 30. Dez., 11:50-13:00 Uhr)

30. März 2021, 19:00-20:00 Uhr (Wiederholung 31. März 2021, 12:00-13:00 Uhr)

29. Juni 2021, 19:00-20:00 Uhr (Wiederholung 30. Juni, 12:00-13:00 Uhr)

31. August 2021, 19:00-20:00 Uhr (Wiederholung 1. September, 12:00-13:00 Uhr)

21. September 2021, 19:00-20:00 Uhr (Wiederholung 22. September, 12:00-13:00 Uhr)

30. November 2021, 19:00-20:00 Uhr (Wiederholung 1. Dezember 2021, 12:00-13:00 Uhr)

29. März 2022, 19:00-20:00 Uhr (Wiederholung 30. März 2022, 12:00-13:00 Uhr)

19. April 2022, 19:00-20:00 Uhr (Wiederholung 20. April 2022, 12:00-13:00 Uhr)

17. Mai 2022, 19:00-20:00 Uhr (Wiederholung 18. Mai 2022, 12:00-13:00 Uhr)

31. Mai 2022, 19:00-20:00 Uhr (Wiederholung 1. Juni 2022, 12:00-13:00 Uhr)

30. August 2022, 19:00-20:00 Uhr (Wiederholung 31. August 2022, 12:00-13:00 Uhr)

29. November 2022, 19:00-20:00 Uhr (Wiederholung 30. November 2022, 12:00-13:00 Uhr)

Radio Z sendet in der Metropolregion Nürnberg-Fürth-Erlangen auf der Frequenz 95,8 sowie auf DAB+ im lokalen Band 10C, online auf http://snd.radio-z.net:8000/Radio-Z