Buzzy ist eine Frau. Reduzierter Synthiepop der elegantesten und filigransten Sorte scheint genau ihr Ding zu sein. Zudem kreativer Visual Artist. Eine Art Marina Diamandis mit einem Drittel von deren Beat-Festigkeit. Seit geraumer Zeit wollten wir euch Buzzy vorstellen, doch fehlte ein Clip. Bewegtbild ist ein wichtiges Milieu für diese Newcomerin. Wobei dieses Video besonders dann Spaß macht, wenn man gut die erste Minute (bis 1’18“) skippt.
Newcomerin? Naja, kommt auf den Maßstab an. Bereits vor zwei, drei Jahren waren einige Songs im Umlauf. Zudem ist Sasha Rebecca Spielberg a.k.a. Buzzy Lee bereits 30. Ich finde es super, wenn Musiker*innen sich Zeit geben. Denn ältere Durchstarter*innen bringen oft einen „anderen“ Blick aufs Musikbusiness mit. Hier sieht man das ganz gut: Anstelle einer Filmhandlung entwirft Buzzy wirklich Bilder, die sich wirklich einprägen, weil sie mit Ironie überraschen.
Ironie in Musikvideos, steinige Dreharbeiten, spannende Schnitte
Die Sängerin zeigt, was alles schief gehen kann. Wenn sie oder die Leute am Dreh nicht bei der Sache sind, oder wenn sich die Location nicht eignet. Zum Beispiel, wenn ein Strand zwar ein gerne genommenes Setting für Musikvideos ist, aber er steinig ist und man auf den Steinen schlecht laufen kann. Oft werden Einstellungen dann hunderte Male wiederholt, und so oft darf der Mensch vor der Kamera dann über diese Steine humpeln. Dass danach wenig Spritzigkeit in den meisten Clips übrig bleibt, liegt auf der Hand.
Exkurs 90er vs heute:
Ironie in Musikvideos finde ich heute ganz selten (früher war alles besser usw. ;-)) Oft steht hinter Clip-Drehs der Druck, mit aalglatten und sehr vorhersehbaren Schnitten an abgegriffenen Locations beliebige Bildmotive zu reproduzieren, die rein gar nichts über den Artist aussagen und den Songtext kaum unterstützen. Deswegen schaue ich generell kaum noch Song-Videos an. Es hat wohl seinen Grund, warum ein Video wie „I’m A Scatman“ heute über 99,9 Millionen Aufrufe zählt, obschon der Künstler lange tot ist und sein Track ein Jahrzehnt vor YouTube herauskam. Videos wurden damals noch mit Magnetbändern zusammengeklebt.
„Scatman“ von John Scatman war im Winter 1994/95 einer der letzten großen Hits der Prä-Internet-Ära. Der damals über 50-jährige Sänger verknüpfte Skat-Jazz mit dem damals angesagten Eurodance. Der Italiener musizierte lange erfolglos. Nach drei Hits aus seinem einzigen Album starb er – kurze Zeit, nachdem er europaweit populär geworden war. Sein erstes Video bleibt bis heute ein Maßstab des Musikclip-Formats.
Dass Buzzy Lee heute mal wieder für einen Clip sorgt, der frappierende Momente enthält, in denen die Kamera Kopf steht, Untertitel kommentieren und der Rhythmus von Bild und Ton bewusst nicht zusammen passen, macht den Song für mich zum Tune des Tages. Aber auch das reine Audio von „Strange Town“ ist toll.
Zwischen Kamera und Keyboards
Wir lernen in dem Film auf unvergessliche Art, dass die Künstlerin Keyboards spielt. Das scheint auch ihr Verständnis für Harmonien zu beflügeln. Die eingängige Melodie wirkt sofort wie für Tasten komponiert, und sie schafft es Electropop ohne 80er-Patina aufzulegen.
Von Buzzy Lee gibt es auch das Video „Coolhand“, das mit pfiffigen Cuts operiert. Ein Innenraum-Video mit zartem Klang, flächigen Keyboard-Loops und punktuell knackigen Beats.
Buzzy Lee ist die Tochter des Filmemachers Steven Spielberg. Ihr Debütalbum, eine Art Zwitter zwischen EP und Longplayer, umfasst neun Tracks, heißt „Spoiled Love“ und erscheint heute am 29. Januar 2021.
Album-Veröffentlichungen vom 29. Januar 2021
Weitere Alben dieses Tages kommen von Celeste (Soul/Jazz/RnB), Alicai Harley (RnB/Dancehall/Urban/Electro), Clap Your Hands Say Yeah (Singer-Songwriting/Kammer-Pop, Indie-Soft Rock), Gazelle And The Bear (Singer-Songwriting/Jazz-Pop), Steven Wilson (Progrock/Elektronik), Alostmen (Afrojazz/Rap/Trance-Drumming/Genre-los), Arlo Parks ((Female) Neo-Soul/Spoken Word/RnB-Pop), The Notwist (Dreampop/Lo-Fi/Post-Rock/Indie-Electro).
Das Mini-Album „Spoiled Love“ von Buzzy Lee erscheint am 29.01. digital beim Label Future Classic. Die Vinyl-VÖ ist für April geplant. Ihre EP Facepaint (2018) ist auf Bandcamp erhältlich.