Wer in diesen windig-wechselhaften und mitunter nassen Tagen die Mega-Dürre-Sommer der letzten Jahrgänge vermisst, fragt sich vielleicht, welcher „Rainmaker“ dahinter steckt. Eine Theorie besagt ja, dass mit steigendem Großstadt-Smog zum Wochenende hin das Niederschlagsrisiko steigt, weil die feuchte Luft, mit Stickstoffmolekülen der Autoabgase aus fünf Werktagen aufgeladen, so schwer wird, dass sie sich abregnen muss. Demnach würden wir uns mit (noch) mehr Home Office wettertechnisch vielleicht einen Gefallen tun. Andererseits werden viele ins Arbeiten zuhause Gezwungene dann am Wochenende so genervt sein, dass sie etwaige Sonnenstunden auch nicht mehr entspannt genießen können.
Mit Rasensprenger und Bee Gees-Hut
Wie auch immer, John Carroll Kirby hat in seinem Lied überhaupt keinen Text, dafür vertont er einen Gemütszustand. Entspannten Gleichmut könnte man nennen, was er in „Rainmaker“ mitteilt. Dabei dachte Kirby ursprünglich an einen Rasensprenger, der die Grünflächen im sonnen- und hitzeverwöhnten Los Angeles benetzt.
Der Song könnte direkt den 70er Jahren entsprungen sein. Der Blick ins Tonstudio zeigt eine Videoclip-Situation aus prä-1980. Mit Bee Gees-Hut und Sonnenbrille wirkt das optische Erscheinungsbild recht retro, die Musik ist es auch. Mit voller Absicht. „Die Musiker kleideten sich mit einem starken Sinn für Individualität, während sie gleichzeitig einen zusammenhängenden Look beibehielten – ein Thema, das ich auch musikalisch (…) erreichen möchte.“ Ein Triangel rückt nach 44 Sekunden ins Bild (Victoria Mordoch schlägt es anmutig).
Septett-Besetzung mit Querflöte, Triangel und natürlich Kirbys Keyboards
Eine Querflöte bei 57 Sekunden unterstreicht den Albumtitel: „Septet“ soll Ende Juni erscheinen. Die Dramatik von Polizeisirenen im dritten Song-Drittel wirkt den Blaxploitation-Filmen der Siebziger und ihren Soundtracks nachempfunden. Auch fantastische Süße steckt in den haarfeinen Keyboard-Loops. Nach knapp 3 Minuten wird’s nicht nur den Musikern so heiß, dass man mal ein Kleidungsstück abstreift. Der Clip steckt durchaus beim Zuschauen an und übersetzt die „Vibrations“ der Musik perfekt.
Nachteil des Videos: Wie so oft, ist es zu dunkel, zu schwach belichtet. Trotzdem wollen, ja müssen wir geradezu, das deep-groovende Instrumental-Stück supporten. Denn solche out-of-fashion-Mucke hat es in unseren Breitengraden momentan nicht allzu leicht. Die große Welle des Neo-Soul ist längst abgeebbt, die in den aktuellen HipHop-Tracks recycelten Soul-Klassiker der 70er oft nicht mal mehr den Rappern selbst ein Begriff, dem Großteil des Publikums schon gleich drei Mal nicht. Herr Kirby reminisziert hier mit seinen psychedelischen Verzerrungen im Mittelteil des Songs wohl an Sly Stone. Er selbst nennt Weather Report als Inspiration, was bei den wabernden Tastentönen sofort glaubhaft ist.
Es fehlen gar keine Vocals, sie wären aber vorstellbar. So wie die Crusaders mit solcherlei Sounds auch oft spannende Non-Vokal-Stücke zauberten, dann aber wiederum mit Gastsängern und -sängerinnen arbeiteten. So wie hier, auch mit mit tanzenden Roboter-Hunden auf der Bühne.
John Carroll Kirby trat in den letzten Jahren als Keyboarder für Frank Ocean, Synthiepop-Sängerin und Multimedia-Designerin Bat For Lashes, Rapperin Kali Ushis, den französischen Electropop-Künstler Sébastien Tellier, Future-Softsouler Blood Orange, für die Alternative-Weird-HipHopper Shabazz Palaces und viele andere in Erscheinung. Zuletzt für The Avanlanches auf „We Will Always Love You“ Kirby stand wiederholt für Solange Knowles an den Tasten und produzierte u.a. „A Seat At The Table“ und „Metatronia“ mit ihr.

Kali Ushis, hier beim Roskilde-Festival 2018, nahm Kollege Kirbys Keyboard-Dienste für „Dead To Me (Acoustic)“ in Anspruch.
Das Album „Septet“ von John Carroll Kirby erscheint bei Stones Throw Records im Vertrieb von Rough Trade am 25. Juni 2021 digital und physisch. Ich freue mich drauf!