Wasser steht seit der Energiepreis-Krise selten im Fokus. Dabei konnte man 2018/19 dank Initiativen wie BluPingu, EU-Auflagen zum Preis von Plastiktüten und umfangreicher Berichterstattung über die Weltmeere den Eindruck erhalten, Wasser sei als Thema angekommen. Endlich. Denn sauberes Trinkwasser ist nun mal bis heute eine luxuriöse Voraussetzung für ein Leben ohne Epidemien. Eine rare. Die guten Quellen?! … krallen sich oft große Mineralwasser- bzw. Lebensmittelkonzerne, wie der Dokufilm „Bottled Life“ und viele andere eindrucksvoll zeigten. Viele Länder haben bis heute die technologischen Standards zur Wasserförderung, -aufbereitung oder speicherung nicht. Ein Land wie Mosambik kämpft auf der einen Seite mit Überschwemmungen, auf der anderen mit Engpässen für die Bewirtschaftung von Agrarflächen. Anderswo steigt der Meeresspiegel. Um ein Feeling fürs komplexe Thema Wasser zu bekommen, geht’s hier in einer Serie über Musik zum Thema Wasser, Statements von Musiker*innen übers Wasser und die Arbeit des Vereins Viva Con Agua Sankt-Pauli e.V. und des daran angeschlossenen Labels von Viva Con Agua und Chimperator.
Mississippi-Impressionen
Wo vordergründig Lagerfeuer-Kulisse ertönt und das Artwork nach weißer luftiger Weite ausschaut, geht’s eigentlich ums kühle Nass. Anmutige Paargesänge aus den Sümpfen erreichen uns von den North Mississippi AllStars. Deren Americana-Soul segelt zwischen Sixties und heute. Wiederum weder für Soul noch für Americana typisch. Denn die vielfach Grammy-nominierte Gruppe liebt funky Jam-Sounds. Ein bisschen Freilauf, Impro-Charakter. Die zehn Tracks auf „Set Sail“ haben zwar eine holzige Komponente, aber auch eine, die sexy, cheesy klingt. Lässt man sich aufs Segel hissende Album ein wenig ein, weicht spröder Charme bald überspringender Energie.

Hervorragende Psychedelic-Intimität liefert dabei „Bumpin'“. Erst mal knödelt die Slide-Guitar recht verloren, ab und an clasht ein Schlag auf die große Tambur-Trommel dazwischen. Alles mit einer solchen ’stoned attitude‘, dass es sich ähnlich wie bei Sly Stone anfühlt. Klar, das ist retro. Das ist alles andere als innovativ, eher nostalgisch, aber kein plattes Zitieren und Recyceln, sondern frisch, detailverliebt und atmosphärisch.
Schon der Eröffnungs-Tune entsteigt dem Wasser: „Der Wasserpegel mag weiter steigen / wir müssen die Segel setzen und wieder aufbrechen / wir sollten uns behaupten“. Die AllStars vom Fluss des Blues ziehen in eine Platte hinein, die davon handelt, wie der Mensch mit der Natur zurechtkommt. Was für Empfindungen das Bezwingen einer unwirtlichen Umgebung auslöst.
Hit-alike sticht dabei der Blick zum Mond hervor. „See The Moon“ wartet dank Sharisse Norman, Part-Time-Mitglied der Band, mit weiblichen Lead Vocals auf. Übers Wasser gleitend intoniert sie hingebungsvoll „Zeig mir den Mond / der durch den Baum scheint und über mir schwebt“. Zugleich ein Song über die Schwingungen von Musik itself.
Weiterer Anspieltipp: Der fluffige, tiefenentspannte (und Tiefen entspannende) Akustik-Brummer „Didn’t We Have A Time“. Der schafft eine so vertrauliche Atmosphäre, als performe die Combo das Lied exklusiv für einen selbst. Eine Jam-Truppe eben. Mit ausgeprägtem Feeling für die Magie des Moments.
Deren Spielfreude spürt man. Und auch die Schwitzigkeit des Mississippi. Dessen Schlammigkeit. Modrigkeit. Schwüles Klima. Die Luftfeuchtigkeit. Natürlich geht’s in den Texten auch um die Flusstiere, die Teil der lokalen ‚Soulfood‘-Küche der Südstaaten wurden. Zum Segeln gehört indes auch Wind, und man kann sagen: „Set Sail“ hat etwas Ganzheitliches, Holistisches. Wasser, Wind, erdige Grooves und Lagerfeuer-Flair fließen hier perfekt zusammen. Ein echter Hinhör-Tipp!
„Set Sail“ von den North Mississippi AllStars erschien am 28. Januar 2022 digital und am 8. April auf Vinyl bei New West im Vertrieb von P.I.A.S./RoughTrade.
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