Kiwi jr. (Pressefoto - Copyright Ben Rayner)

Auch Kiwis, die nicht aus Neuseeland oder anderen warmen Gebieten stammen, können eine warme Aura verbreiten. „Chopper“ ist wieder ein entschlossenes und schnell vereinnahmendes Album des Indie-Rock-Quartetts aus Toronto. Der geradlinige Sound will unbedingt ohne Umwege den Adressaten ansprechen. Er kennt außer georgelten Zwischentakten – zum Beispiel in „Parasite II“ – keine Schnörkel. Der gesamte bassgesättigte Sound entfaltet sich mit Nachdruck und bietet ungebremsten Wums.  

PARADOXIEN UND VISUELLE SZENARIEN IM FORMSCHÖNEN 4/4-TAKT

Über weite Strecken trägt die präsente Stimme von Multiinstrumentalist Jeremy Gaudet als Fundament fürs gleichmütige, auch – zugegeben – vorhersehbare Vier-Vierteltakt-Spiel mit stetem Schlag auf die Eins. Warum der Kanadier das kraftvolle Band-Zusammenspiel so wasserdicht mit Gesang zu nietet, ohne Lyrik-lose Leerläufe zu lassen, erklärt sich mit den reichhaltigen, paradoxen und sprunghaften Szenarien der Texte. „Ich male nur mit Grün / ich mische Blau und Gelb zusammen / es fühlte sich so gut an, heim zu kommen, aber aufzubrechen fühlt sich sogar besser an. / Denn sie bauen diesen Power-Magneten auf, um den Rhythmus des Herzens zu stören. / Ich renne und verstecke mich / aber es ist, als wolle man aus dem Auto von jemand anderem bei Dunkelheit raus. / Ich brauche klerikalen Schlaf / (…) „Gute Nacht, Mond“, ich möchte meine Wahrheiten aufdecken (…) und wenn ich nah genug bin / explodiere ich für Friedens-Atomwaffen“, und von einem Seitenhieb auf die nicht mehr produzierte US-Automarke Oldsmobile streift der Songtext dann noch bis zur Robotik unserer Tage. Den Liedtitel „Clerical Sleep“ kann man als „Schlaf des Angestellten“ (der Befehle ohne nachzudenken ausführt) oder als „Schlaf des Geistlichen“ (der die kaputte Welt in Sicherheit wiegt) interpretieren.

ZACKIGES TEMPO IM KICKSTART-MODUS

Gewisse Dissonanzen beschränken sich nicht aufs Verbale und greifen auf die musikalische Gestaltung über, nimmt man die schief gespielte Orgel in „Contract Killers“ (Vertragsmörder). „Chopper“ bleibt stets in einem Uptempo- oder gehobenem Midtempo-Modus. Am Tempo-Gipfel: „Downtown Area Blues“ als zackigster Track mit New Wave-Ästhetik. Gegenpol: „The Extra Sees The Film“ als am lässigsten treibender Tune. Dazwischen liegt vor allem Gitarrenrock mit Anspruch und fleißigem Storytelling in klaren, an die 80er angelehnten Songstrukturen. Während in der Jetztzeit am ehesten Parallelen mit Wolf Parade oder den Rolling Blackouts Coastal Fever aufscheinen, kann man für die Achtziger ‚Simple Minds in Highspeed‘ über den eingängigen Rockpop-Reverbs-Sound schreiben, während die Storytelling-Inhalte in ihrer Konkretion und ihrem Inhaltsreichtum an Ray Davies (The Kinks) und Jonathan Richman erinnern. Aber: Alle ‚klingen wie‘-Querverweise muss man mit Mühe herbei schaufeln. Denn Kiwi Jr. pflegen einen sympathisch eigenständigen und überdies sehr eingängigen Stil. „Chopper“ geht mühelos ins Ohr und ist der strahlende Indierock-Frische-Kick des Sommers 2022. „Chopper“ von Kiwi Jr erschien am 12. August bei Sub Pop im Vertrieb von Cargo, als mp3, WAV, FLAC, CD, Cassette und weißes Vinyl.

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